Ja ja, damals, als das Internet noch jung und unschuldig war

Ja ja, damals, als das Internet noch jung und unschuldig war

Ich gehöre vermutlich zu den Menschen, die das Internet länger nutzen als die meisten anderen. Nicht nur das klicki-bunti-Internet das heute jeder kennt, sondern auch seine Vorläufer, bis hin zu Mailboxen und BTX.

Als das Internet dann „populär“ wurde und das Bobbelsche „ich bin drin“ sagen konnte, war ich ziemlich happy. Ich hielt und halte das Internet für eine sehr mächtige Technologie zur Stärkung der Demokratie und demokratischer Prozesse.

Und ich bin so glücklich darüber, wie viel Wissen heute den Menschen überall auf der Welt zur Verfügung steht. Auf Mausklick kann ich nahezu alles wissen, selbst Dinge die früher keiner Bibliothek einen Buchstellplatz wert gewesen wäre.

Gerne würde ich mich zu 100% darauf konzentrieren, das Internet zu schützen und zu verteidigen. Denn keine Frage, selten ist etwas nur gut und ohne Missbrauchspotential.

Aber neben den ganzen Verschwörungstheoretikern und Spinnern, die Tag für Tag ihren Dreck ins Internet absondern, muss ich feststellen, dass auch die Staaten immer mehr die Freiheit im Internet bedrohen.

Neben Kontroll-Phantasien der Geheimdienste bedrohen uns dabei, sondern auch die Geldgeilheit einzelner Akteure aus der Wirtschaft.

Ich rede vom „Leistungsschutzrecht“, mit dem die Suchmaschinen gewzungen werden sollten, Geld für die Verleger zu verdienen – was kläglich scheiterte. Ich spreche von dem Plan, Internet-Blogs einer „Alterskontrolle“ zu unterwerfen.

Dann kam mit der DSGVO der nächste Sarg-Nagel, der dazu führte das zahlreiche Websites nicht mehr in Europa verfügbar sind und andere Websites einfach ganz verschwinden. Statt die Meinungsfreiheit zu unterstützen, wird sie lebendig begraben.

Und natürlich rede ich jetzt vom neuen Urheberrecht der EU, dass vor allem von großen Verlagen gefordert wird und unter anderem Upload-Filter vorsieht. Einer Black-Box, die demnächst entscheiden soll, welche Inhalte im Internet veröffentlicht werden dürfen und welche nicht. Ausserdem soll das in Deutschland gescheiterte Leistungsschutzrecht weiter verschärft werden.

Die Zeit titelt deswegen am 18.06.2018 auch völlig zu Recht: „Die Angst vor der Zensurmaschine“:

Erst seit wenigen Wochen ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wirksam, schon beschäftigt sich die EU mit dem nächsten Gesetz, das starken Einfluss auf die Geschäfte und die Kommunikation im Internet haben könnte. Es geht um die Reform des EU-Urheberrechts. Am Mittwoch stimmt der federführende Rechtsausschuss des EU-Parlaments über den Vorschlag des Verhandlungsführers Axel Voss (CDU) ab. (…)

Der Vorschlag besagt also konkret: Verlage könnten von Suchmaschinen, Aggregatoren und sozialen Netzwerken ab der Veröffentlichung eines Beitrages ein Jahr lang Lizenzgebühren verlangen, wenn diese neben einem reinen Link auch noch Teile des Inhalts anzeigen, also etwa die Überschrift oder einen Teaser. Jeder EU-Mitgliedsstaat dürfte allerdings selbst entscheiden, ab welcher Länge ein Auszug lizenzpflichtig wäre und wann er frei verwendet werden könnte.

Im feuchten Traum der Verleger wird dann demnächst sogar ein Link lizenz- und damit kostenpflichtig.

Natürlich schiessen sich die Lobbygruppen damit ins eigene Knie. Die großen Aggregatoren werden die Angebote ausfiltern, die auf die Einhaltung der Regeln pochen. Was wiederum die Vielfalt der angebotenen Medien dramatisch reduziert.

Das Problem mit den Upload-Filtern, die gleichzeitig kommen sollen, erläutert Heise:

Außerdem fordert die Kommission, dass Software schon die Veröffentlichung verhindert. Wörtlich heißt es: „Für die wirksame und rasche Erkennung sowie prompte Entfernung oder Sperrung terroristischer Inhalte und um zu verhindern, dass diese Inhalte nach ihrer Entfernung wieder auftauchen, sind proaktive Maßnahmen wie die automatisierte Erkennung nötig. Internetunternehmen sollten sich über geeignete technische Werkzeuge austauschen und diese optimieren sowie Arbeitsvereinbarungen für eine bessere Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, einschließlich Europol, treffen.“

Und so wird unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung eine Technik etabliert, die darüber entscheidet, wer was postet. Die großen Medienhäuser entscheiden zugleich, wer was liest.

Wenn wir damit der Dystopie nicht näher kommen, in der Konzerne die Welt regieren und eigenes Denken eine Straftat wird…

In der Summe sind die Entwicklungen extrem beunruhigend.

Nur wer verliert ist klar: Die Freiheit.

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(Titelbild: Screenshot der Zeit-Website vom 19.06.2018, 08:00 Uhr)

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