Von Bauern und Kartoffeln

Von Bauern und Kartoffeln

Viele Menschen, ich bin da keine Ausnahme, haben ein verklärtes Bild davon, wie unser Essen in den Supermarkt kommt. Natürlich schrecken wir ab und an auf, wenn man wieder ein Skandal aus dem Schlachthaus präsent ist. Und wir nehmen zur Kenntnis, wenn wegen schlechter Ernten höhere Preise angekündigt werden. Und ja, da war doch diese Demo von Landwirt*innen mit Treckern.

Auf Amazon gibt es jetzt eine Staffel, die in dem Zusammenhang sehr bemerkenswert ist. Es geht um Jeremy Clarkson und seine Farm.

Um das zu verstehen muss man wissen, wer Clarkson ist: Er ist der „Kopf“ eines Dreier-Teams von Moderatoren, die früher auf BBC die Sendung „Top Gear“ und jetzt auf Amazon „The Grand Tour“ moderieren. Er ist ein „Petrolhead“, Autos könne nicht groß und laut genug sein, Greta Thunberg hält er für überbewertet und Umweltschutz ist ein Thema, dass für ihn keine Rolle spielt. Und dann kauft er eine Farm.

Die Sendung beginnt damit, dass er beschließt, seine Farm selbst bewirtschaften zu wollen. Mit Hilfe, im Wesentlichen aber alleine. Und die Sendung beginnt, wie man es vermuten würde: Er kauft den größten Traktor von Lamborghini, den er kriegen kann.

Was dann folgt sind 8 Folgen, in denen man einem Mann dabei zusieht, wie er sein gesamtes Leben neu bewertet. Wie ihm auf ein Mal klar wird, welche Bedeutung die Natur, die Umwelt und die Landwirtschaft haben. Wie die Zusammenhänge sind und warum die Landwirtschaft mehr ist, als mit einem Traktor über den Acker zu rollen. Und wer bei der Geburt der Lämmer… aber ich will nicht spoilern.

Natürlich ist Clarkson Clarkson. Aber man sieht einen Menschen, der begreift, dass das Leben sehr viel mehr ist, als im Supermarkt ein Brot zu kaufen. Bis zum dramatischen Finale, wenn er am Ende eines Jahres ausrechnet, wie viel er verdient hat.

Das Jahr, dass gewählt wurde, ist besonders: Das Wetter scheint in England verrückt zu spielen – und Greta ist plötzlich unterschwellig sehr präsent. Corona wütet und auf ein Mal ist selbst London eine Geisterstadt, wie wir sie zuletzt in „28 Days Later“ gesehen haben. Und so wie Clarkson sich verändert, verändert sich auch das Publikum. Plötzlich sehen wir nicht nur die Felder, sondern die Arbeit. Wir verstehen, wie wichtig die Blühstreifen sind und vielleicht wird uns klar, wie viel Landwirte leisten und was sie dafür bekommen.

Ich wünschte, die Landwirte hier am Niederrhein würden vielleicht mal mit entsprechendem Aufwand eine Serie produzieren, wie ein landwirtschaftliches Jahr hier abläuft. Mit den Hochs und Tiefs und mit ehrlichen Einblicken. Dann würde es vielen Menschen vielleicht auch leichter fallen zu verstehen, was an den Preisen im Supermarkt nicht stimmt. Und vielleicht verstehen wir alle dann wieder, wie wichtig die Landwirtschaft für uns alle ist – auch angesichts berechtigter Kritik, wie z. B. Überdüngung und Massentierhaltung. Wobei die Frage hier lauten muss: Sind unsere Kritikpunkte nicht gegen die Symptome gerichtet, während die Ursache wir, die Verbraucher und unsere Geldbörsen aus Zwiebelleder sind?

Auf jeden Fall ist Clarkson’s Farm die für mich spannendste Produktion seit langem. Und ich finde, viel mehr Menschen sollten sie sehen. Also auch ihr.

 

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