Warum ich nix von #Blognetz halte

Als ich das erste Mal von #Blognetz gehört habe, war ich interessiert. Und da meine erste Info über Twitter kam, waren natürlich auch Links dabei – unter anderem zu Golem.de mit der Überschrift: „Deutsche Blogger, vereinigt euch“ Unter der Überschrift wurde das Projekt eines Österreichers (sic!) präsentiert. Ich las, staunte, klickte und es mißfiel:

Das Projekt tritt laut Golem an, einen der größten Nachteile der deutschen und europäischen Blogsphäre zu adressieren:

Es gibt Tausende Blogs in Deutschland, gut vernetzt sind sie nicht. Anders als beispielsweise in den USA steht häufig der Konkurrenzkampf im Vordergrund. Dabei hat eine funktionierende Blogosphäre durchaus Macht, denn auch Blogs können eine für Missstände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kritische Eigendynamik entwickeln und über die sozialen Netzwerke viral große Wirkung entfalten.

Und bis hier ist das so weit auch richtig – wenn man mal die Frage außen vor läßt, was dieser angebliche Konkurenzkampf sein soll. Tatsächlich aber ist die Vernetzung der Blogs in Deutschland derzeit ein Problem und hier sind „Lösungen“ im Sinne von neuen Ideen immer gut. Wenn man dann aber auf die Website von Blognetz klickt, kommt das böse Erwachen:

screenshot blognetz130516

Ich hab das erst für einen Scherz gehalten: Ich kann also als Blogger nur mitmachen, wenn ich erstens einen Facebook-Account habe und zweitens den Zugriff auf Teildaten meines Facebook-Accounts erteile? Wollen die mich verarschen?

Eines der Probleme von Social Media ist, dass viele Leute G+ und Facebook mit Social Media gleich setzen und dabei übersehen, dass beides lediglich temporäre(!) Teile davon sind. Durch die Konzentration auf wenige Anbieter aber verringert sich in der Regel eben die tatsächliche Wirksamkeit von Schwärmen. Warum es eine unfassbar dumme Idee ist, sich an Facebook allein zu binden, habe ich wohl zur Genüge ausgeführt. Aber gut, dem ersten Schreck folgt so gleich ein zweiter Schreck:

Denn Blognetz macht es sich einfach und analysiert nicht die Blogs selbst wie es notwendig wäre. Über die dort verbauten Blogrolls (starke Bindungen) und die in den Artikeln gesetzten Links (schwache Bindungen) ließe sich hervorragend abbilden, welcher Blog mit welchem in welcher Intensität verbunden ist.

Statt dessen aber, vor allem vermutlich weil es viel weniger Programmieraufwand bedeutet,  präsentiert Blognetz eine toll ausshende Visualisierung, die leider total nutzlos ist:

screenshot visualisierung130516

Man achte auf folgenden Satz: Aktuell werden nur Verbindungen auf Facebook beachtet.

Statt das also tatsächlich analysiert wird, welcher Blog mit welchem in Kontext steht, werden die schwachen Facebook-Verbindungen gezeigt. Dabei kommt es natürlich dazu, dass die sogenannten A-Blogs mit hoher Wirksamkeit dargestellt werden und neue Verbindungen primär zu diesen Hubs entstehen – eben in der Hoffnung von deren Verbreitung und Vernetzung zu profitieren.

Was nicht geht ist zu sehen, wie z. B. politische oder IT-Themen untereinander sich vernetzen – was viel sinnvoller wäre, als auf die Namen/Personen abzustellen. Denn es wäre z. B. bei politischen Aktionen interessant zu sehen, ob sich die Aktivitäten als Grid oder Stern darstellen.

Es gibt dann auf Blognetz noch eine Blogroll:

screenshot blogroll130516

Die Gruppierungen sind willkürlich angelegt, Vernetzungen werden gar nicht dargestellt. Einfach eine simple Liste aller eingetragenen Blogs, die zwingend auch bei Facebook sind.

Mein Fazit:

In der jetzigen Form scheint mir Blognetz vollkommen unbrauchbar und dient lediglich dazu, den Macher 5 Minuten ins Rampenlicht zu stellen. Überschwängliche Wertungen wie „stärkt die Vernetzung der Blogsphäre“ sind meiner Meinung nach total über.

Statt sich Gedanken zu machen, wie man die Bindungen und deren Intensität der Blogs tatsächlich darstellt, ist hier die xte Facebook-„App“ entstanden, die sich ausschließlich auf Facebook als Datenquelle verläßt – und damit deutlich zeigt, dass ihr weder das Konzept von Social Media wirklich nahe liegt, noch das man sich überhaupt auch nur ausreichend Gedanken gemacht hat, was es braucht eine unabhängige (i. S. von Facebook und Co) zu stärkende Kultur der Blogs zu machen.

Bunte Bilder sind toll, aber Graphen darüber wie viele Leute A-, B- und C-Blogger vernetzt haben gibt es mehr als genug, die meisten auch mit mehr Aussagekraft als wenn man nur die Verbindungen auf Facebook betrachtet.

Es sind mit den Darstellungen weder tatsächliche Analysen möglich, noch Veränderungen zu erwarten. Neulinge werden sich nach wie vor verstärkt nach den Personen orientieren, statt nach den Themen und die Blogliste auf Blognetz ist nutzloser als bei Google nach „Blogs“ zu suchen.

Was es braucht:

Jetzt kann man natürlich sagen, dass jemand der so Kritik äußert, auch sagen sollte, was besser geht. Das will ich mal grob versuchen:

  1. Emanzipation von Sozialen Platzhirschen: Eine solche Integration in Facebook ist absolut untragbar. Was es braucht ist ein dediziertes System in das sich Leute eintragen und von denen auch dann per Crawler Verbindungen analysiert und dargestellt werden. Das Internet an sich ist ein soziales Netz. Hyperlinks machen es dazu.
  2. Thematische Aggregation: Die jetzigen Guppen der Blogroll sind nutzlos. Was es braucht ist die Möglichkeit nach Tags und Kategorien zu selektieren, bzw. nach Stichworten. Das muss nicht so sein wie Google Trends das macht, aber z. B. so, dass ich mir alle Blogs und deren Verlinkung ansehen kann, die sich mit, sagen wir mal #Drosselkom beschäftigen. Denn mich interessiert nicht (sollte nicht interessieren) was ein „Promiblogger“ von sich gibt, sondern ich will einfach wissen, was die Blogspähre zu einem Thema denkt
  3. Tatsächliche USP: Man sollte sich Gedanken machen, wie man Blognetz von anderen Visualisierungstools abhebt. Der Ansatz von Personen weg zu gehen wäre ein erster möglicher Punkt, der zweite Punkt könnte sein als Aggregator für Themen mit Bedeutung zu fungieren, der dynamisch die aktuellen Theman vorsortiert und dabei auch zwischen Bindungen verschiedener Intensitäten unterscheiden kann: Erwähnt ein Blogger nur einen anderen Text (per Link im Text) oder ist der Host des anderen Textes auch in der Blogroll angebunden (stärkere Verbindung) und linkt der gar zurück (noch stärkere Bindung…)

Möglichkeiten gäbe es viele. Keine davon läßt sich allerdings mit so wenig Aufwand umsetzen wie die aktuelle. Die Frage ist also: Ist Blognetz nur Selbstdarsteller oder will man wirklich etwas bewegen? Wenn man wirklich was bewegen will, liegt da noch ein weiter Weg vor den Verantwortlichen…

Autor: unkreativ

Gelegentlich hat der Unkreative das Gefühl, er müsse Euch etwas wissen lassen. Das kann sinnvoll sein. Muss es aber nicht. ;-)

2 Gedanken zu „Warum ich nix von #Blognetz halte“

  1. Wie versprochen, jetzt ausführlich.

    Es werden hier verschiedene Dinge in einen Topf geworfen. Was andere Autoren in Blognetz sehen, deine Erwartungen und meine Intention.

    Wie in meinem Blog berichtet, habe ich nie vor gehabt die deutsche Blogsphäre stärker zu vernetzen. Auch habe ich nicht den Anspruch die gesamte Blogosphäre abzubilden. Begonnen hat es damit, dass ich die Verbindungen in einer bestehenden Facebookgruppe österreichischer Blogger_innen visualisiert habe. Nicht mehr und nicht weniger. Dann wurde ich gefragt, ob ich das auch für eine deutsche Gruppe machen würde und ich habe zugesagt. In der Gruppe ist man dann drauf gekommen, dass Personen, die ihre Freundesliste privat haben, nicht korrekt visualisiert werden können, weshalb ich überhaupt erst begonnen habe über eine App nachzudenken. Die Resonanz war positiv. Die Personen wollten ihre Freundesliste nicht komplett öffentlich machen, aber solange nur Verbindungen zwischen Personen visualisiert werden, wo beide zugestimmt haben, war das ideal. Also wurde Blognetz gestartet.

    Für dich mag die Visualisierung komplett nutzlos sein, für Leute, die mitmachen, ist sie es nicht. Sie sehen besser mit welchen anderen Blogger_innen sie in Kontakt sind, mit wem sie viele Verbindungen teilen und wo sie in diesem Knäul allgemein verortet sind. Ich habe immer betont, dass Personen visualisiert werden und nicht Blogs.

    Mein Ziel war es nicht, mich ins Rampenlicht zu stellen. Ich wurde gefragt, eine Visualisierung zu machen und der Rest ist aus der Gruppe heraus gewachsen. Zugleich freue ich mich auch über das mediale Interesse. Es ist ein guter Vektor, um das Projekt bekannter zu machen und mehr Blogger_innen zu erreichen.

    Mir scheint dein Hauptkritikpunkt ist, dass #Blognetz nicht das ist, was du gerne hättest. Statt die Netzwerke hinter den Blogs interessierst du dich für die Inhalte in den Blogs. Als moeffju in der Gruppe gemeint hat, warum wir nicht XFN Verbindungen analysieren, habe ich ihm auch gesagt, dass er das gerne machen kann, aber es uns momentan aber nicht interessiert. Ich kann dir aber http://www.blog-intelligence.de/ empfehlen, welches sich auf Inhalte konzentriert und vermutlich näher an das kommt, was du dir vorstellst. Ja, es ist viel komplexer. Ich finde auch die aktuelle Umsetzung dort nicht ideal. Aber sie haben auch gerade einen Relaunch hinter sich und müssen noch viel verbessern.

    Ich finde Links auch konzeptionell sehr schwierig. Was ist ein Blog? Bei #Blognetz haben wir uns dafür entschieden, dass es um das Selbstverständnis geht. Wenn ich per Crawler arbeite, möchte ich mich dann wirklich auf die eingetragenen Blogs beschränken? Oder definiere ich, was Blogs sind und versuche sie in einem größerem Rahmen abzugreifen?

    Du forderst eine thematische Aggregation. Warum nicht Rivva?

    Deine USP Empfehlung ist hinzuwerfen, was uns interessiert und zu machen, was dich interessiert. Das funktioniert nicht.

    Das Blogverzeichnis ist ein Nebenprodukt der Visualisierung. Blognetz dient in erster Linie der Datenerhebung.

    #Blognetz ist jetzt knapp drei Wochen alt. Wir wollen damit nichts konkret bewegen, sondern haben Spaß an Netzwerkvisualisierungen. Einen ersten Testlauf mit Twitter habe ich gestern gepostet: https://twitter.com/blognetz/status/334740464743903232. Auch Google+ ist auf dem Radar. Aber wir werden vorerst bewusst bei Daten aus Social Networks bleiben.

    Für dich scheint #blognetz nichts zu sein, aber wie du selbst sagst, gibt es Alternativen, die näher an deinen Vorstellungen sind.

    1. Hey Luca,

      vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich werde mal beobachten, wie sich Euer Projekt entwickelt – ich ändere ja gerne meine Meinung 🙂

      Deine Kritik an meiner Kritik ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Vermutlich ist es wirklich so, dass ich einfach eine andere Hoffnung hatte, als Du Intention 🙂

      Auf jeden Fall aber Danke für Deine Arbeit!

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