Bundestagswahl 2013

So, das war sie. Die Bundestagswahl 2013.

Das Ergebnis überrascht und überrascht nicht. Die Implikationen sind scheisse und ich habe den Eindruck, dass auch ich daran beteiligt gewesen bin. Aber der Reihe nach:

Im Bund

Es war klar, dass Angela Merkel wieder gewählt werden würde.

Über das warum werden Menschen spekulieren, die weit klüger sind als ich. Und das ist auch gut so. Für mich stand fest, dass es auf eine große Koalition hinauslaufen würde, seit Merkel im Fernseh der FDP ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen hat. Sie ist eine sehr intelligente Machtpolitikerin und wird da gewusst haben, was sie sagt. Ich mache nur 3 Kreuze, dass es doch nicht zur absoluten Mehrheit gereicht hat!

Aus Merkels Sicht ist der Wechsel von Schwarz-Geld zu einer großen Koalition sinnvoll: Was soll man sich mit einer starken Opposition ärgern und dabei das Anhängsel FDP mit durchfüttern? If you can’t beat em… also holt Mutti sich die SPD an die Seite und wird genau darauf achten, dass sie

  1. die SPD nicht zu stark sein lässt und
  2. dafür sorgt, dass die SPD ungeliebte Entscheidungen mittragen muss im Sinne der „Regierungsverantwortung“, was sich sicherlich positiv auf das Wahlergebnis der nächsten BTW auswirken wird. Also das der CDU.

Das die SPD das sehenden Auges mitmachen wird liegt an ihrer Unfähigkeit und ihrem Unwillen. Zu oft und zu laut hat sie Rot-Rot-Grün ausgeschlossen und selbst, wenn jetzt eine Koalitionspartnerlose CDU einem rot-rot-grünen Kanzler weichen müsste, wird sie nicht umschwenken. Ich rechne es Peer hoch an, wenn er tatsächlich nicht ins Kabinett Merkel einsteigt.

Das die Piraten so beschissen abgeschnitten haben war zu erwarten. Es ist schade für die Piraten – aber was soll man erwarten, wenn nach den Vorschusslorbeeren nur noch Gezanke in der öffentlichen Wahrnehmung übrig bleibt? Das ist ausgesprochen schade für all die wirklich aktiven Netizen, die sich dort engagieren. Und viele gute Dinge von sich geben.

Erschreckend ist das gute Abschneiden der AfD. Auch wenn der spontane Erfolg bei neuen Parteien „normal“ zu sein scheint (Schill-Partei, Piraten, etc), so bin ich doch entsetzt das es nur ganz knapp nicht für den Einzug ins Parlament gereicht hat. Die AfD ist genau das, wovor ich immer gewarnt habe: Hoch organisierte, gut betuchte, intelligente, teilweise charmante Politiker, die am rechtesten Rand fischen. Wir finden dort Politiker, die wir in keiner anderen offensichtlich rechten Partei finden würden: Professoren und Doktoren, Wirtschaftswissenschaftler und erfolgreiche Unternehmer. Wir hören von dort klug gedachte Sätze, die an die Ängste der Menschen adressiert sind. Und wenn wir nicht ganz genau aufpassen, wird die AfD eine ernsthafte Chance haben die Lücke zu besetzen, die die FDP hinterlassen hat.

Ach die FDP. Endlich da, wo sie hingehört und Westerwelle wird den besten Sex seines Lebens gehabt haben. Denn sein wir mal ehrlich: Mit dem Rauswurf von Westerwelle und dann, noch schlimmer, mit dem Aufbau von Rösler war doch klar wo der Kurs hingeht. Wenn dann auch noch Brüderle als Spitzenkandidat hingestellt wird… naja, Rest in Pieces.

Eines der Probleme der FDP war sicher auch, dass niemand genau gewusst hätte, wofür er sie wählen soll. Denn all zu offensichtlich wollte die FDP nur Königinnenmacher sein – ohne eigene Ziele, ohne Niveau, ja sogar ohne jeden Anspruch an sich selbst. Und dabei hätte es insbesondere mit der auch bei den Netzbürgern beliebten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger  eine Politikerin in den eigenen Reihen gehabt, die mit Sicherheit die bessere Wahl gewesen wäre.

Die Linke kam aus der Wahl gut hervor. Und sie hat es verdient, denn es war die einzige Partei die sich die Mühe gemacht hat in der Wahlwerbung mal konkret zu werden. Nicht einen obskuren Mindestlohn, sondern 10€ fordern. Nicht eine obskure Alterssicherung, sondern 1050€ mindestens. So muss Politik sein, denn nur dann weiß der Wähler auch, für was er sich entscheidet. Denn ich wette die meisten Leute können nicht erklären, wo die Unterschiede zwischen den CDU- und SPD-Programmen hier lagen. Oder was der SPD-Vorschlag soll, der letztlich nicht einmal zum Erreichen der Mindestrente genügen würde?

Tja und so kommen wir zu den Grünen. Deren Abschneiden ist auch äußerst mies und bedauerlich. Mit nur 8,4% sogar unter das Ergebnis der PDL zu rutschen tut schon mächtig weh. Dabei sind meiner Meinung nach einige Ursachen schnell zu finden, wenn man sich den Wahlkampf und die Politik anschaut:

  • Im Wahlkampf musste es zu der Pädophilie-Debatte kommen. Das war für den politischen Gegner eine Steilvorlage und der Umgang von Trittin mit seinen Altlasten war absolut unangemessen. Verschleiern funktioniert heute nicht mehr, er hätte sich von Anfang an (lange vor dem Wahlkampf) aufrecht hinstellen und erklären müssen.
  • Der Veggie-Day war eine Katastrophe. Nicht wegen des Vorschlags, sondern wegen der Unfähigkeit der Grünen auf die folgende Kampagne eines großen Medienhauses zu reagieren. Statt mit Witz und Charme den Wogen zu trotzen, stotterte man sich einen ab.
  • Entfernung von den Bürgern: Die Plakate der Grünen symbolisieren viele gute Elemente des grünen Wahlprogramms. Aber was davon kam bei den Bürgern an? So gut wie nichts. Und das total unnötig: Das grüne Steuerprogramm z. B. wurde immer wieder getestet und – anders als das der CDU und SPD – für tragfähig befunden. Trotzdem wurde es dem Bürger nicht so nahe gebracht, dass der es verstanden hätte. „Mensch vor Bank“ war eine nette Idee, wem ist die Bank auf dem Foto aufgefallen? Aber was genau bedeutet das? „Ich werde Energieriese“ – sind nicht die Energieriesen die, gegen die wir kämpfen? Und warum vermitteln die Grünen im Wahlkampf nicht kontinuierlich woher die Strompreissteigerungen wirklich kommen? Und so weiter…
  • Politisch sind viele Menschen von den Grünen enttäuscht. Der Atomausstieg ist plötzlich Merkels Werk, in Sachen NSA und PRISM haben die Grünen nicht annähernd so viel Druck gemacht, wie man sich das gewünscht hätte und eigentlich fällt mir kein Thema ein, bei dem die grüne Bundespolitik in den vergangenen Monaten und Jahren wirklich nachhaltig Eindruck hinterlassen hätte. Völlig unnötig, denn das was in unserer Agenda steht ist gut! Sehr gut sogar. Nur muss man das den Menschen auch erklären, verständlich machen und sie einbinden. Und man darf sich nicht scheuen, im Bundestag wieder öfter und lauter den Finger in die Wunden zu legen!
  • Politik für die Jungen: Wir brauchen Politiker die eine Sprache sprechen, die die jungen Menschen verstehen. Wir müssen uns in der Netzpolitik stärker präsentieren und stärker auftreten. Aber wir müssen auch in der Euro-Diskussion und der Europa-Diskussion jemand sein, mit dem junge Menschen sprechen können. Wir müssen Ängste wahr- und ernst nehmen und Alternativen zeigen.

Und in Voerde

Das Ergebnis in Voerde spiegelt im Grunde das Ergebnis im Bund wieder: 4,23% der Erststimmen und 6,13% der Zeitstimmen sind nicht nur deutlich weniger als zur Bundestagswahl 2009, als wir 6,21% der Erststimmen und 8,88% der Zweitstimmen holten. Sie sind auch Ausdruck der aktuellen Situation in Voerde. Als Grüner hier wage ich einfach mal zwei Behauptungen:

  1. Wir waren im Wahlkampf nicht präsent genug. Klar, wir haben uns vorher überlegt was wir machen wollen und was nicht. Dabei haben wir aber wohl unterschätzt oder falsch eingeschätzt, wie sich das letztlich auswirkt.
  2. Wir haben das Ergebnis der politischen Diskussionen in Voerde zu verkraften.

Der zweite Punkt spricht natürlich auch so Dinge an wie die unsägliche Sportplatzverlagerung oder der unglaubliche Ausgang des Bürgerbegehrens Hindenburgstraße.

Natürlich weiß ich, dass die Wahlergebnisse in Voerde stark vom Bundestrend abhängen bei einer solchen Wahl und das niemand sagen kann, ob mehr Stände auf Märkten mehr Wähler bedeutet hätten. Ich glaube aber wir sollten versuchen aus dem Wahlergebnisse abzuleiten, wo wir Dinge verändern können.

Das wir zu wenig präsent waren, sehe ich auch in „meinem“ Wahlbezirk. Ich wette, ich kann die meisten Leute die Grün gewählt haben namentlich aufzählen – weil sie u. a. aus meiner Nachbarschaft kommen. Den meisten anderen bin ich vermutlich seit der letzten Ratswahl schon wieder aus dem Gedächtnis gefallen. Und machen wir uns nix vor: die meisten Menschen machen ihr Kreuz nicht bei den Grünen weil sie deren Kandidaten so mögen – den sie zumeist nicht mal namentlich benennen können. Sondern sie machen das Kreuz entweder aus Überzeugung, oder weil man sich positiv bei ihnen ins Gedächtnis gebracht hat.

Ich denke also, dass wir in Voerde dringend wieder präsenter Politik machen sollten – und das wir auch wieder die Menschen begeistern müssen. Für Politik, für Voerde und für uns. Denn ich glaube nach wie vor, dass die Grünen in den Kommunen, den Ländern und dem Bund ein wichtiges Korrektiv sind – im Angesicht einer großen Koalition mehr denn je, denn jetzt kommt es darauf an den Bundesrat so zu formen, dass er das letzte Bollwerk (vor dem BVerfG) ist, um Merkel einzufangen. Ich glaube aber, dass unser Partei- und Fraktions-Vorstand das auch erkannt hat und personell genau so besetzt ist, dass ich mir keine großen Gedanken darum mache… wir werden das schon schaukeln!

Und für Voerde werden wir starke Grüne brauchen, weil die Zukunft unserer Stadt nicht einfach wird. Und um diese Zukunft dennoch so zu gestalten, dass Voerde lebenswert ist und bleibt und auch die noch anstehenden Krisenjahre gut übersteht, brauchen wir neue Ideen und Mittel. Und genau hier müssen wir dann auch alle Voerder abholen und mit einbinden. Dann klappts auch mit der nächsten Kommunalwahl 🙂

Autor: unkreativ

Gelegentlich hat der Unkreative das Gefühl, er müsse Euch etwas wissen lassen. Das kann sinnvoll sein. Muss es aber nicht. ;-)

3 Gedanken zu „Bundestagswahl 2013“

  1. Tja, sollte die SPD in eine große Koalition gehen und „Eier in der Hose haben“, dann könnte ich mir vorstellen, dass diese SPD die Koalition aber nach einiger Zeit an einem z.B. sozialen Thema scheitern lässt, nach dem Motto: „Mit uns nicht.“

    Tut sie das nicht, dann läuft es so ab wie bei der FDP und wie bei der großen Koalition zuvor.

    bombjack

    PS: Hätte sie die absolute Mehrheit, müsste sie endlich Farbe bekennen….

  2. Ich fände es spannender, Merkel einfach mal eine Minderheitenregierung machen zu lassen. SPD: „Hallo liebe CDU, ihr wollt so gerne regieren. Dann macht das doch auch. Ihr dürft das sogar alleine machen. Wir wählen die Mutti auch mit. Dafür kriegen wir aber von euch den Mindestlohn mit 8,50 Euro. Und danach könnt ihr in jeder wirklich relevanten Frage uns gaaaanz lieb bitten, ob wir euch da unterstützen und für euch stimmen.“ Das wäre Eier in der Hose. Das wäre etwas, womit alle linken Parteien sich massiv vorwärts arbeiten könnten. Man hätte eine schöne kleine linke Mehrheit im Bundestag, lässt die Mutti die Arbeit machen und kann sie inhaltlich vor sich her treiben. Ich befürchte nur, das einige der älteren SPD Generation doch sehr arg von einem Minister(iums)-Posten träumen und dafür lieber die Partei in Grund und Boden rammen, als so ein Experiment zu machen.

    Seh ich das gerade richtig, das wir sowohl im Bundesrat als auch Bundestag eine linke Mehrheit haben? Je mehr ich über diese Minderheitenregierung nachdenke, desto besser finde ich die „Lösung“.

  3. @bombjack
    SPD…Eier in der Hose

    Der war süß. Und dann der mit dem Platzen lassen… hach… 😀

    @Hackwar
    Die Verhältnisse gäben solche Versuche her – und mehr dem Land schaden als die schon jetzt abgelaufene Periode Merkel würde es auch nicht. Ich wäre dafür. Aber die Sicherheit der Diäten und Posten wird, wie Du schon richtig annimmst, mit aller Gewalt dagegen halten. Und so wird uns in Zukunft wieder vermehrt die Alternativlosigkeit als von Gott gegebener Zwang begegnen 😉

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