Lohfink: Liebe Leute, kommt mal wieder runter

Normalerweise halte ich mich aus solchen Vergewaltigungs-Prozessen heraus, die mehr in der Öffentlichkeit stattfinden als da wo sie hin gehören. Manchmal aber bin ich doch sprachlos und frage mich ernstlich, was eigentlich gerade schief läuft. Und das nicht erst, seit versucht wurde, Kachelmann auch nach seinem Freispruch öffentlich hinzurichten.

Dementsprechend war mir heute morgen klar, dass das bestimmende Thema heute das Urteil gegen Frau Lohfink sein wird. Normalerweise wäre hier Klappe halten angesagt, wegen der Schere im Kopf: Egal was für eine Position Du beziehst (vor allem als Mann), irgendwer wird immer ausflippen.

Einer der ersten Blogbeiträge die mir zu dem Thema heute morgen in die Timeline gespült wurden, war der von Frau Maja. Nach dem Lesen dachte ich mir drei Dinge:

  1. Die tatsächlichen Beweggründe des Gerichts spielen keine Rolle – warum nicht?
  2. Die geschilderte Angst irritiert mich, weil der hier geschilderte Sachverhalt kaum alltäglich scheint.
  3. Das Gleichnis mit dem Alkohol irritiert mich.

Vor allem das mit dem Alkohol: Eine Vergewaltigung ist nicht mehr oder weniger schlimm, wenn das Opfer (oder der Täter) vorher Alkohol konsumiert hat. Auch wenn man jetzt die verminderte Schuldfähigkeit anführen mag, für mich persönlich ist Vergewaltigung eine Tat die unabhängig von äußeren Einflüssen statt finden: Alkohol ist so wenig ein valider Grund wie das Tragen „aufreizender Kleidung“.

Trotzdem macht die Bloggerin den Vergleich auf, dass sie sich jetzt ja nicht mehr betrinken könnte.

Mir stellt sich die Frage ob man sich überhaupt, als Mann oder Frau, in irgendeiner Umgebung betrinken sollte. Denn das ist für mich etwas, dass ich völlig separat bewerte. Betrunkene stellen gerne eine Gefahr für sich und ihre Umwelt dar.

Insofern halte ich es auch für gefährlich zu sagen, dass wenn keine K.O.-Tropfen attestiert werden konnten (neben anderen Ungereimtheiten, die das Urteil laut Presse aufzeigt) – ist es dann klug zu sagen, dass es egal ist ob K.O.-Tropfen oder Alkohol im Spiel waren? Die Schlussfolgerung ist natürlich richtig, dass es keinen Unterschied machen darf ob das Opfer betrunken war oder nicht. Es muss aber einen machen, wenn die Tat noch mals verschlimmert wurde, wenn das Opfer unter Drogen gesetzt wurde.

Ich habe Frau Maja in einem Tweet darauf hingewiesen, dass ich das für problematisch halte. Leider bietet Twitter nur 140 Zeichen und ich wäre gerne in eine Diskussion darüber eingestiegen. Die Antwort aber überraschte mich doch:

. achso! Also ich besoffen bin und mich jemand vergewaltigt bin ich selbst schuld? Ich bin es so leid sowas zu lesen. *kotz*

Da frage ich mich doch: Geht’s noch?

Als hätte ich das gesagt. Im Gegenteil: Frau Maja verbreitet hier schlicht die Unwahrheit, wenn sie sagt, ich hätte gesagt das Vergewaltigungsopfer selbst schuld sind, wenn sie betrunken vergewaltigt werden. Was für ein Käse.

Aber genau diese Art der hochemotionalen Reaktion ist es, die es so schwierig macht hier ein wirklich wichtiges Thema zu diskutieren. Nämlich den Spagat zwischen wirksamen Schutz vor Vergewaltigung, der angemessenen Bestrafung und dem Schutz vor dem falschen Vorwurf der Vergewaltigung. Und eben auch der Bestrafung bei falschen (erfundenen?) Vorwürfen.

Damit hat sich für mich Frau Maja leider selbst aus der Diskussion auf die denkbar ungünstigste Art und Weise verabschiedet. Ihre nachfolgenden Tweets sind auch kein bisschen besonnener, sondern bringen eine extreme Wut zum Ausdruck. Weil natürlich sind die Leute die anderer Meinung sind, Anti-Feministen.

Ich weiß nicht ob ich der einzige bin, der der Meinung ist, dass Unwahrheiten und hoch emotionale Wutausbrüche genau das sind, was der Feminismus nicht braucht. Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die ich eigentlich wegen ihrer Intelligenz schätze, erkennen, wie wichtig es ist hier ein wenig mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen.

Und weswegen ich hoffe, dass wir in der gesamten Diskussion ein Level finden, das nicht von Emotion sondern von Sachlichkeit geprägt ist.

Wenn uns das nicht gelingt, werden zukünftig die besonnenen Kräfte die Diskussion scheuen. Weil sie keine Lust haben, durch Wutreaktionen wie hier dokumentiert in eine Ecke gestellt zu werden. Ich will mir nicht vor einem Post überlegen müssen, ob irgendjemand das wieder bewußt falsch versteht. Sondern ich möchte das wir uns alle als vernunftbegabte Wesen gegenüber stehen und begreifen, dass andere Meinungen nicht immer „das Böse“ sind.

Nachtrag: Ich fand den Beitrag von Udo Vetter zu dem Thema sehr lesenswert:

Damit zeigt sich, dass der Fall der denkbar schlechteste war, um ein zweifellos wichtiges Thema zu diskutieren. Nämlich die Frage, ob in Deutschland die sexuelle Selbstbestimmung ausreichend geschützt ist.

Autor: unkreativ

Gelegentlich hat der Unkreative das Gefühl, er müsse Euch etwas wissen lassen. Das kann sinnvoll sein. Muss es aber nicht. ;-)

2 Gedanken zu „Lohfink: Liebe Leute, kommt mal wieder runter“

    1. Jein. In einem einzelnen Tweet sicher nicht. Aber ich habe schon gute Diskussionen erlebt, die über viele Einzelmeldungen liefen. Was mich überrascht war die Reaktion auf meinen Tweet, den ich gar nicht so kritisch bewertet hätte. Aber es ist ja das Sender-Empfänger-Problem: Was ich gar nicht böse meine, kommt vielleicht beim Gegenüber so falsch an. Nur: sollte man dann direkt mit der größt möglichen Kanone zurück schiessen?

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