Gestern Abend war ich auf der Veranstaltung „Grundeinkommen für alle – eine gute Idee ?“ (plenkendes ? wie im Original) und dem Untertitel: „Verschiedene Konzepte werden vorgestellt und auf ihre Tauglichkeit hin kritisch untersucht.“
Das ganze fand in Voerde statt, war vom Frauenzentrum Voerde e.V. organisiert und die Referentin war Frau L.. Das ich überhaupt auf den Termin noch aufmerksam wurde, verdanke ich einem Tweet von @Voerde_De:
Ich hatte noch versucht ein paar Leute zum Mitkommen zu überreden, auf Grund der Kürze der Zeit war mir das leider nicht möglich. Rückblickend sicherlich besser so.
Neben einer Dame, die ich von der SPD und aus dem Rat kenne, war noch ein älterer Herr anwesend und zusammen mit Frau L. vervollständigte ich dann die Runde.
Die Referentin hielt dann einen gut 90 minütigen Vortrag, der nicht zur Diskussion frei gegeben war. Dabei wurde schnell klar, dass sie sich über BGE informiert hatte.
Allerdings:
- Scheinbar nur oberflächig.
- Scheinbar nur dort, wo ihre Einstellung bestätigt wurde.
Denn von Anfang an war klar, dass sie wohl folgende Meinung vertritt:
- BGE kann nicht funktionieren
- BGE schadet der Gesellschaft
- BGE fördert die Faulheit
- BGE nutzt nur dem Kapital
- BGE schafft Schule und Ausbildung ab
- BGE verstärkt die Ungleichbehandlung der Frau
Ihre Quellen waren vor allem Götz Wener, der Chef von DM. Diesem sprach sie mehrfach(!) die Qualifikation ab, denn er sei nur Drogerist und kein Ökonom. Danaben war Professor Roth ihre bevorzugte Quelle, so wie Professor Straubhaar. Allerdings jeweils nur einzelne Aspekte ihrer Darstellungen, sofern diese in das Muster passten.
Dabei sollte klar herausgestellt werden, dass BGE böse ist. Die Begründung läuft in etwa so:
Professor Roth sagt, Kinder sind nur die Reproduktion der Ware Arbeitskraft. Daher sollten die Kosten dafür die Nutzer, die Arbeitgeber übernehmen.
Das Konzept BGE leitet sich von der Fiktion der Gleichen unter Ungleichen ab, denn schließlich sind nicht alle Menschen gleich und deswegen kann auch nicht jeder gleich viel Geld bekommen.
Das Geld im BGE reicht sowieso nicht, um uneingeschränkt zu leben und führt nur zu Billiglöhnen und Ausbeutung.
Schule wird überflüssig, weil man ja keine Ausbildung mehr braucht, wenn man eh BGE bekommt.
Wie Ihr Euch vorstellen könnt, habe ich an aktuter Schnappatmung gelitten – Frau L. aber trotzdem zu Ende reden lassen. Widerspruch tolerierte sie eh nicht und Hinweise auf Denkfehler nahm sie nicht zur Kenntnis. So stellte sie z. B. die angedachte Erhöhung der Mehrwertsteuer als K.O.-Kriterium dar – verstand aber nicht, dass eine Erhöhung von Konusmsteuern und Vermögenssteuern eine Verringerung der Steuern auf Arbeitskraft und Produktion ermöglichen müssen, damit es funktioniert.
Aber gut, sie war auch der Meinung, dass Vollbeschäftigung auch heute noch jederzeit möglich sei.
Zudem versteifte sie sich letztlich darauf, dass in einer globalen Wirtschaft BGE nicht möglich sei, weil es Exporte zwar erheblich verbilligen würde, Importe aber drastisch verteuern würde. Mein Einwand war, dass das durchaus gewollt sein kann, weil es dann erstens die Anreize für lokale Produktion erhöhen würde und zweitens ein Ansatz sein könnte, auch indirekte Kosten wie Umweltkosten in (z. B.) KIK-Shirts einzurechnen und mal wirkliche Preistransparenz zu schaffen. Ihr K.O.-Argument zur Beendigung meines Einwands war, dass es trotzdem teurer würde. Ja, teurer als bei KIK wird es wohl. Aber das muss nicht automatisch schlecht sein… na gut, ich ergebe mich und lausche wieder.
Nachdem ich mich dann so brav beherrscht habe, wollte ich dann in eine Diskussion einsteigen und nur an Hand meiner Notizen über ihre Äusserungen mal eine Gegenposition beziehen. Die Referentin honorierte das mit dem Packen ihrer Sachen und dem Beenden der Veranstaltung.
W-T-F???
Mit anderen Worten: Frau L. war nur mit der Erwartungshaltung in die Veranstaltung gegangen, dass man bitteschön ihre BGE-ablehnende Haltung ungefragt übernehme und das man bitte schön ihre aus dem Kontext gerissenen Informationshappen als Wahrheit akzeptiere.
Auch wenn das harsch klingt: Mich erinnerte das verdammt an die Impfgegner-Argumentationen, mit denen ich im Moment mehr zu tun habe, als ich gerne hätte. Denn für jeden Versuch einer argumentativen Auseinandersetzung war die Referentin nicht zu haben.
Ich musste dann den beiden Gästen versrprechen, selber mal eine Veranstaltung zum BGE zu organisieren und ich glaube ich spreche hier mal die Politik-Schüler des GV an – das könnte ein interessanter Abend werden.
Der Abend gestern zeigt nämlich, dass offensichtlich große Teile einer ablehnenden Haltung aus Fehlinformationen abgeleitet werden können – denen gestern leider Vorschub geleistet wurde.
Wie gesagt, ich war froh das keiner meiner Freunde und Bekannten gestern Zeit hatte. Ich hätte mich geschämt, sie zu dieser Veranstaltung eingeladen zu haben.