Im Moment entspannt sich im Internet eine Diskussion, die ich für längst überfällig halte: Es geht dabei um die Frage, wie das Internet eigentlich geschaffen ist und wie es geschaffen sein sollte.
Weniger technisch als organisatorisch betrachtet ist es so, dass sich im Internet ein Trend entwickelt hat, der die eigentliche Idee kontakariert. Die Rede ist natürlich (unter anderem) von Facebook, also Informationsgebilden die in sich geschlossen sind und zweierlei Probleme erzeugen. Das erste Problem ist, dass Inhalte nur noch schlecht kontextuell vernetzt werden und suchbar sind, weil die einzig relevante Dimension die Zeit ist. Das zweite Problem ist, dass außen stehenden Dritten der Zugang zu Informationen oft nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Mitte Dezember hat sich Anil Dash in einem sehr interessanten Blogbeitrag kurz damit beschäftigt und die Frage aufgeworfen „What Did I Miss?“. Einen Antwortansatz findet man im gleichen Blog einige Tage später, besser ist meiner Meinung nach aber dann von Ende Dezember die Betrachtung von Spreeblick.
Dort schreibt Johnny Häusler in „2013: Das Web zurückerobern„, dass das Problem auch in den geänderten Verhaltensmutern der Informationsanbietern, vulgo Blogger, zu suchen ist. Schrieben viele früher einen Blogbeitrag um einen Link, wird dieser Link jetzt mit wenigen Zeichen Zusatz auf Twitter hingerülpst. Diskussionen finden dann auf G+ oder Facebook statt und geraten schnell in Vergessenheit.
Wie recht er damit den Nerv der Zeit trifft, zeigt sich zum einen in den Kommentaren zu dem Artikel, aber auch in den Artikeln die in der Folge entstanden sind, wie zum Beispiel „Vernetzung ist Arbeit“ von HerrLarbig. Diese, ich nenne sie mal Replik auf den Beitrag von Haeusler beschäftigt sich mit dem Aspekt, dass eben Facebook und G+ eine unmittelbare Rückmeldung zu Artikeln geben, eine „instant gratification“. Und außerdem das Leben sehr viel einfacher machen, weil die Pflege von tatsächlichen Netzwerken quasi entfällt.
Der Blog Caipi zeigt dann sehr anschaulich wie sich das auswirkt: In dem Beitrag „Facebook, Twitter und das verwaiste Blog“ ist beschrieben, wie immer weniger Text im eigenen Blog steht und immer mehr statt dessen in Richtung geschlossener „sozialer“ Netze abwandert. Die Folgen davon beschreibt dann „Die Freiheit, die wir verschenken„, im Blog von kbojens. Dort wird dann auch ein interessanter Vergleich zu früher gezogen, zur Zeit von Usenet und Co.
Denn damals – und früher war manches wirklich besser – war Information eben tatsächlich in sozialen Netzen allen zugängig. Das trifft vor allem das Usenet, dass ich nach wie vor für die absolute Königsklasse der sozialen Netze halte. Und auch heute sind dort noch die Dinge von vor x Jahren problemlos zu suchen und zu finden. Auch ohne bei Facebook angemeldet zu sein.
Dieses bei Facebook angemeldet zu sein ist übrigens eine Seuche, die auch in den verlinkten Artikeln mehrfach erwähnt wird. Wie mit vermeintlichem „Single Sign On“ mehr und mehr Systeme an Facebook angedockt werden.
Und das bringt mich zum Ende dieses Blogbeitrags, nämlich einem Zitat aus einem Beitrag den ich hier im Mai 2012 geschrieben habe:
Das Internet braucht wieder mehr Websites, Blogs, Newsgroups, Foren und Chats. Und weniger zentral Strukturen.
Und Ihr müsst langsam mal anfangen, an die Post-Facebook-Ära zu denken…
Dieser Punkt ist mir in der bisherigen Diskussion zu kurz gekommen:
Wenn ich meinen Blog dicht mache, sind ein paar tausend Beiträge eines einzelnen Bloggers weg. Macht mein Hoster zu, sind die Inhalte von ein paar tausend Kunden weg, was schon viel schlimmer wäre. Aber was passiert, wenn Facebook dereinst das MySpace macht? Google G+ wie schon andere „Innovationen“ wegen Erfolglosigkeit abschaltet? Die URL-Shortener nicht mehr finanziert werden? Dann hat das Netz etwas, was eigentlich gar nicht möglich sein dürfte: Einen Gedächtnisverlust erheblichen Ausmaßes.
Von daher schließe ich mich gerne dem an, was all die verlinkten Artikel im Grunde gemeinsam fordern: Publiziert wieder mehr auf eigenen Plattformen, diversifiziert die Plattformen und vor allem: Macht Informationen durch aktives Verlinken (und ja, das ist aufwändiger als „Like“ zu klicken) maschinensuchbar und redundant.
Oder anders: Überlegt Euch einfach, in welchem Web Ihr leben wollt. Im umzäunten Facebook mit eingeschränkten Möglichkeiten, oder in der grenzenlosen Freiheit der Information und Kommunikation, die uns das Internet eigentlich geschenkt hat…