Voerde zwischen Sportpark und Schule

Manche Dinge sind schon – im besten Fall bemerkenswert. In etwas anderer Ausdrucksweise: Komisch.

In Voerde kann man gerade erleben, wie bei manchen Leuten Politik verstanden wird. Da ist zum Beispiel die FDP. Die immer noch auf ihrer Website davon spricht, eine der Fraktionen im Stadtrat zu sein, auch wenn sie nur noch durch Herrn Benninghoff und ohne Fraktionsstatus dort vertreten ist.

Aber egal. Die FDP also machte einen verzweifelten Versuch, die Gesamtschule in Voerde zu verhindern. Man verstieg sich gar in die Hoffnung, dass man auf der Seite der Gewinner wäre und titelte „Schulpolitik: die Einsicht wächst„. Dumm nur, dass die Eltern in Voerde nun mit großer Mehrheit sich für eine neue Gesamtschule ausgesprochen haben. Jetzt könnte die FDP natürlich einsehen, dass sie auf dem falschen Weg war. Oder zumindest sagen: Hey, okay, wenn es der Wille der Menschen ist, gehen wir diesen Weg mit.

Aber nein. Schweigen im Walde.

Was uns zum zweiten Thema bringt. Der Sportplatzverlagerung in den Babcockwald.

Hier verstieg sich die FDP ja sogar zu der Theorie, dass die Grünen in Voerde irgendwie die grüne Regierungspräsidentin beeinflussen könne. Ich meine, ich fänd das ja geil, wenn unsere kleine 4-Personen-Fraktion so einen Einfluß hätte und es ehrt mich auch irgendwie, dass die FDP uns für so einflussreich hält. Ist natürlich lächerlich.

Obwohl, und das erstaunt mich  jetzt doch, aktuell auch die alte Tante SPD auf eine ähnliche Idee gekommen ist. So kann ich auf derWesten lesen:

Dass die Bezirksregierung die Genehmigung versagt hat, dahinter wähnt Voerdes SPD-Fraktionschef politische Einflussnahme der Grünen auf Landesebene.

Wow, das hat was. Ich meine da steht nicht, dass wir Voerder Grünen das haben. Das hätte auch der Grüne Umweltminister sein können, der die Grüne Regierungspräsidentin beeinflußt, sich an der Argumentation des roten Kreises Wesel… äh Moment?

Ja richtig, die Kritikpunkte der BR liegen auffällig nahe an denen, die der Kreis Wesel bereits im Mai geäußert hat. Und wenn ich dann jetzt lese:

Auch Schneider plädiert für Reparaturen, um die erneute Verzögerung des Baustarts für die Sportvereinigung (SV) 08/29 zu überbrücken. Dem Verein „laufen die Jugendlichen weg“. Auch Benninghoff befürchtet eine „Existenzkrise“ – „wenn sie nicht schon da ist“. Aus seiner Sicht gibt es zum Babcock-Wald keine Alternative. Andere Flächen müsse die Stadt kaufen. Und dann, so fürchtet CDU-Fraktionschef Schneider, wäre „alles vorbei“.

Äh wie meinen?

Und dann wäre alles vorbei? So ganz plötzlich? Ende September? Obwol die BR schon im August gesagt hat, was der Kreis schon im Mai gesagt hat und wir schon seit Jahren sagen? Hallo Mc Fly, jemand zu Hause?

Ich habe drüben im Grünen Blog eine weitere Pressemitteilung veröffentlicht, die das eigentliche Problem anreißt:

SPD und CDU (und FDP) haben die Bürgerbefragung abgewehrt. Sich gegen einen Ratsbürgerentscheid ausgesprochen. Mit viel Tamtam einen Ratsentschluss durchgefochten, von der die BR jetzt sagt: Die Ratsmitglieder waren gar nicht vollständig informiert und die Abwägungen waren falsch.

Statt aber spätestens jetzt(!) an den Verhandlungstisch zurück zu kehren und zu sagen: „Hey, lasst uns alle zusammen gemeinsam eine Alternative entwickeln!“, haben die Spitzen der CDU und SPD-Fraktion offensichtlich Angst vor dem Gesichtsverlust.

Ich frage mich nur, was schlimmer wirkt:

Jetzt ein Mal sagen zu müssen, dass man sich verrant hat und das grüne Angebot annehmen, an den Verhandlungstisch zurück zu kehren. Oder sich in Endzeitszenarien (CDU) und Verschwörungstheorien (SPD, FDP) zu ergehen und dann im nächsten Wahlkampf erklären zu müssen, warum es erstens immer noch keinen neuen Sportplatz gibt. Und zweitens warum es nicht einmal mehr den Verein noch gibt.

Oder anders gesagt: Liebe CDU, liebe SPD, stellt Euch doch bitte nicht so STUR an und lasst uns endlich gemeinsam eine Lösung finden!

Hallo! Ich bin ein Milchmädchen und mein Name ist CDU Voerde!

So oder so ähnlich muss man sich das wohl vorstellen, was die CDU in Voerde gerade treibt – auf dem Rücken zukünftiger Generationen.

Denn seit der letzten Ratssitzung fährt sie eine massive Kampagne gegen… Wald. Die wird heute morgen konsequent in der Rheinischen Post fortgesetzt. Und so lese ich heute morgen in der Printausgabe (Paywall):

„Wir sagen, zukünftig ist der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleich angebracht, aber auch ausreichend“, so Fraktionsvorsitzender Georg Schneider. „Alles, was darüber hinausgeht, ist übertrieben und kann aus unserer Sicht nicht mehr ökologisch begründet und ökonomisch gerechtfertigt werden.“ Er rechnet vor, dass die Aufforstung einer Fläche von der Größe eines Fußballfeldes die Stadt 100 000 Euro kostet.

Ja sagt mal, geht’s noch?

Erstens müssten wir gar nicht so umfangreich Wald aufforsten, wenn die CDU nicht für die unnötige Neubaumaßnahme Sportpark den Babcockwald abholzen lassen würde.

Zweitens sind die Kosten im Vergleich zu den Kosten des Sportparks kaum eine Erwähnung Wert: Meine Wette steht, dass der Sportpark nicht unter 10 Millionen, also 10.000.000 Euro zu haben ist.

Das was die CDU hier veranstaltet  ist eine Milchmädchenrechnung vom Feinsten: Sie will den Wald los werden und einen Sportpark bauen – koste es was es wolle. Die Schäden, die man damit der Gesellschaft zufügt, will sie aber nicht kompensieren. DAS ist dann plötzlich zu teuer. Wäre die CDU, was sie nicht ist, ehrlich sich und den Menschen in Voerde gegenüber, müßte sie die Umweltkosten in den Sportpark einrechen. Das vermeidet sie aber wie der Teufel das Weihwasser, denn um jeden Preis muss der Eindruck erhalten bleiben, der Sportpark rechne sich.

Wie sie auf die 100.000 pro Hektar kommen, verschweigen die Strategen gern.

Wenn in einem solchen Kontext ausgerechnet die CDU eine ökonomische und ökologische Unsinnigkeit erkennt, dann ist das schon nicht mehr witzig. Denn das ökologische Ungleichgewicht durch das Abholzen des Babcockwaldes und das ökonomische Ungleichgewicht durch einen viel zu teuren Sportpark verursachte ja gerade die CDU. Mit willfähriger Hilfe der FDP.

Drittens, das ist das wichtigste Argument für mich, kann jeder sehen (der es sehen will), dass unser Klima sich massiv verändert. Und das kaum zum Besseren. Und man muss kein Genie sein um zu erkennen, auf wie vielfältige Art und Weise hier Wald notwendig ist um den Klimawandel zu verlangsamen und die Folgen des Klimawandels zu mildern.

Wenn für den geplanten Sportpark nun deutlich größere Flächen aufgeforstet werden sollen als auf dem Babcockgelände gerodet werden, sieht Georg Schneider darin den Versuch der Sportplatzgegner, die Baumaßnahme zu verhindern oder zu verzögern.

Ja ne ist klar. Populismus a la CDU Voerde. Unter bewußtem Verschweigen, dass ein Flächenausgleich mit neu gepflanztem Wald 1:1 in keiner Weise die Funktion eines 60 Jahre alten Waldes ausgleichen kann. Und unter Ausblendung der Tatsache, dass die „Sportplatzgegner“ sofort geschlossen parat stünden, würde man den bisherigen Sportplatz sanieren.

Hier wird versucht der Eindruck zu erwecken, dass es um den Sportplatz gehe. Dabei ist die CDU in Voerde generell gegen Wald: Das hat sie im Rat ja mehr als Deutlich gemacht und auch ihr Antrag an die Verwaltung (erster Link) spricht eine deutliche Sprache. Man möchte gerne mehr Fläche landwirtschaftlich nutzen und kommerziell ausbeuten. Was interessieren uns da schon die Folgen?

Denn die wirklichen Folgen werden die Herren, die jetzt Stimmung gegen den Wald machen, nur noch am Rande erleben. Leidtragende werden die folgenden Generationen sein. Aber Hauptsache ein Landwirt im Nebenerwerb kann noch ein ein paar €€€ machen, gell?