Wenn Entscheider das System nicht verstehen

Es gibt in der BWL ein Ding, das nennt sich Goldene Bilanzregel. Sinn dieser Regel ist, dass Unternehmen die Finanzierung von Vermögensgegenständen an die Nutzungsdauer anpassen. Das bedeutet also: bleibt etwas langfristig im Unternehmen, wird es langfristig finanziert. Und umgekehrt.

Das machen eigentlich alle. Selbst Kleinunternehmer und Einzelunternehmer würden immer Versuchen, Nutzungsdauer und Finanzierungsdauer in Übereinklang zu bringen – und in den meisten Fällen macht das auch hochgradig Sinn.

Heute dann lese ich bei DerWesten/NRZ:

Die Städte und Gemeinden an Rhein und Ruhr müssen sich immer öfter kurzfristig und damit teurer verschulden. Sie machen dies, um ihre Zahlungsfähigkeit zu bewahren. Nach den neuen Daten des Statistischen Landesamtes it. nrw stehen sie mit 22,2 Milliarden Euro mit Kassenkrediten in der Kreide. Die Summe ist zehn Mal so hoch wie im Jahr 2000. Kassenkredite haben für die Kommunen den gleichen Stellenwert wie der Überziehungskredit für den Inhaber eines Girokontos. (…)

Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) macht die Entwicklung bei der Kreditaufnahme größte Sorge. Seine Furcht: Die Banken geben besonders hoch verschuldeten Rathäusern eines Tages keine Kredite mehr oder nur noch unter ganz ungünstigen Bedingungen.

Abgesehen davon, dass die Kommunen sehr niedrige Zinsen bekommen (weil sie faktisch kein Kreditausfallrisiko tragen), ist die Politik hier wieder unehrlich zu sich selbst:

Das Problem ist nicht an sich die Kreditaufnahme. Das Problem ist die fehlende Steuerung der Kreditaufnahmen im Sinne der Goldenen Bilanzeregel und das Fehlen einer perspektivischen Finanzplanung. Eine solche könnte z. B. die Einmalaufnahme eines größeren Betrags zur Tilgung kurzfristiger Schulden bei langfristiger Laufzeit sein.

Aber so weit denkt in den Kommunen kaum einer. Selbst in Zeiten des angeblich so revolutionär alles verbessernden „Neuen Kommunalen Finanzwesen“ steht die Jährlichkeit im Vordergrund und die Idiotie von „heute brauch ich Geld, also leih ich es mir und zahle es morgen mit Geld zurück, dass ich mir morgen leihe“.

Über all dem schwebt natürlich auch noch das Zinsrisiko. Dazu braucht es nicht einmal zu einem Fall kommen wie in dem Artikel. Ein normaler, zyklischer Anstieg der Zinsen würde ausreichen, um vielen Kommunen den Hals zu brechen.

Aber vermutlich sind solche Zusammenhänge und die Beschreibung des Kontext zu kompliziert, um sie dem gemeinen Zeitungsleser zu servieren. Also reicht vielleicht ein Artikel wie der oben verlinkte gepaart mit ein paar Politikern die beteuern, alles wäre im Lot und man habe alles im Griff…

Virtueller Haushaltsausgleich in Voerde?

Manchmal, wenn ich morgens daheim die Zeitung lese, bin ich leicht bis mittelmäßig irritiert.

So auch Heute, bei der Frühstückslektüre von derWesten:

Bei Erträgen von etwa 59,45 Millionen Euro und Aufwendungen von 69,85 Millionen Euro liegt der Fehlbedarf bei 10,4 Millionen Euro. Durch die Ausgleichsrücklage kann das Defizit fiktiv nicht ausgeglichen werden, der Betrag geht in vollem Umfang zu Lasten der allgemeinen Rücklage, wie die Verwaltung erläutert.

„kann das Defizit fiktiv nicht ausgeglichen werden“ kann doch eigentlich nur ein Schreibfehler sein, oder? Andersherum kann ich mir vorstellen, dass eine solche Aussage ernst gemeint ist… Dann stellen wir halt fest, dass wir an einem realen Ausgleich gar nicht mehr interessiert sind und selbst ein fiktiver (aka eingebildeter?) Ausgleich nicht mal mehr möglich scheint?

Das wäre dann  beunruhigend.

Das große Aber  ist jedoch, dass Voerdes Haushaltssituation an sich gar nicht so schlimm ist…