Der Anschlag gestern in Paris, der feige Mord an Menschen, ist schlimm. Er wird die Politik der nächsten Tage und unsere Gesellschaft auf lange Sicht prägen.
Er wird der Politik der Angst Vorschub leisten. Er wird Vorurteile verstärken und Hass säen. So gesehen war der Anschlag ein voller Erfolg.
Das war er aber nicht (nur) wegen der Toten. Er war es vor allem, weil wir reagiert haben, wie wir es taten. Sofort waren die Medien vor Ort, überall Sondersendungen, Live-Ticker und Newsflash. Wirklich was wissen tat keiner. Warum auch, es schien doch alles klar: Vermutlich Muslime haben die Redaktion vermutlich wegen der islamkritischen Karikaturen angegriffen. Wobei: vermutlich sagt eigentlich kaum einer, den meisten Berichterstattern ist alles völlig klar:

Es ist mir unklar, warum sich Berichterstattung nicht auf die Fakten beschränken kann. „Es gibt X Tote, zu den Hintergründen ist nichts bekannt – wir melden uns, wenn Klarheit herrscht“. Statt dessen versuchen die Kameraleute möglichst Blut und Elend zu filmen. Gerüchte nach dem Motto „Es scheint“ oder „Es sieht so aus, das“ werden munter gestreut und reflexhaft kommen alle die zum Vorschein, die es schon immer wußten. Genau wie die, die „solche Taten auf das schärfste veurteilen“, um dann im nächsten Moment deren Nährboden politisch z u bereiten. Dazu werden verwackelte Handyaufnahmen werden in soziale Netze geblasen um später revidiert zu werden:
Ein Amateurvideo dokumentiert die Flucht der Attentäter von Paris nach dem Anschlag auf #CharlieHebdo: http://t.co/ZtjThVZo0P
— SPIEGEL ONLINE (@SPIEGELONLINE) January 7, 2015
Es gab vorhin einen verstörenden RT zu Videos aus Paris. In unseren Berichten verzichten wir bewusst auf diese Szene http://t.co/d1DxJL2vCa
— SPIEGEL ONLINE (@SPIEGELONLINE) January 7, 2015
Na, dann muss ja alles klar sein.
Kritische Fragen stellt niemand. Fragen wie nach dem Nutzen solcher Anschläge. Die Frage wie ein solcher Anschlag auf eine „gesicherte, gefährdete Einrichtung“ passieren kann. Die Frage wie die Attentäter so militärisch präzise agieren konnten. Wo die Attentäter ihre Kriegswaffen her hatten.
Und vor allem die Frage, ob man mich verarschen will: Da wird ein Anschlag auf ein gesichtertes Objekt minutiös geplant und durchgeführt und sogar die Flucht gelingt perfekt und dann… vergisst mal wieder (vgl. Anschläge von New York) ein Attentäter seinen Pass im Auto???
Die Attentäter haben auf der Flucht offenbar einen schweren Fehler gemacht und die Polizei so auf ihre Spur gebracht. Wie die Zeitschrift „Le Point“ und die Zeitung „Le Monde“ schreiben, vergaß einer der Brüder seinen Personalausweis im Fluchtwagen, als die Attentäter am Rande der Hauptstadt das Auto wechselten.
Das Terror funktioniert, liegt am Funktionieren unsere Gesellschaft. Allgegenwärtige Kameras liefern die Bilder, die für die Sender die Quote bringen. Die Bilder potenzieren die Gewalt und tragen sie in die Gesellschaft, in unsere Häuser und unsere Wohnungen. Plötzlich fühlt sich niemand mehr sicher – aber die sich bestätigt, die schon immer wußten, dass die Islamisierung des Abendlandes die größte Gefahr darstellt.
Da wundert es natürlich auch nicht, wenn sich direkt die Polizeigewerkschaften zu Wort melden:
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft hält auch islamfeindliche Kundgebungen wie die Pegida-Demonstrationen für anschlagsgefährdet. Zwar könne niemand sagen, ob solch ein Anschlag auch in Deutschland drohe, sagte Rainer Wendt dem „Handelsblatt“ vom Donnerstag. „Aber es braucht nicht viel Phantasie, um die vielen islamkritischen Veranstaltungen, Parolen und Demonstrationen ebenfalls als mögliche Terrorziele zu definieren.“
Ähm, niemand fragt ob nicht andersherum auch ein Schuh daraus wird? Angesichts der PEGIDA-Verstehversuche z. B. der FDP und ähnlichem, werden sich auch in unsere Gesellschaft die Extremen bestätigt und im Recht sehen. Wie lange soll es dann dauern, bis Moscheen brennen? Wenn jetzt selbst die Polizeigewerkschaft ja betont, dass die „aufrechten Christen des Abendlandes“ Ziele des „Islamischen Terrors“ werden könnten? Da kann man sich doch leicht zusammenreimen, was für die Knallköppe in der ersten Reihe 1+1 ergibt. Von Auge für Auge bis hin zu wer zuerst zuschlägt gewinnt.
Nein, das alles widert mich an.
Es widert mich an, wenn Menschen andere Menschen töten – ganz gleich welch niederes Motiv odere hehere Absicht dahinter steckt.
Es widert mich an, wie die Medien damit umgehen und der Katalysator des Terrors sind, willige Helfer der Angst.
Es widert mich an, wie Politik und Lobbyisten Kapital aus dem Leid der Menschen schlagen.
Es widert mich an.