Humbug Hamburg

Ich verfolge ja die Entwicklung rund um das „Hamburger Gefahrengebiet“ mit Fassungslosigkeit. (Wieso liegt das eigentlich noch nicht beim BGH??). Und jeden Tag wird es ein wenig absurder.

Nehmen wir mal das „Klobürsten-Meme“, ausgelöst durch ein Bild in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten, dass sehr schnell seinen Weg in die Geschichtsbücher des Internets fand:

Die Sache mit der Klobürste schafft es aktuell sogar als „Auffälligkeit“ in die Berichterstattung der Presse vor Ort:

Auffallend: Einige Demonstranten waren mit Klobürsten unterwegs und spielten damit auf eine Szene an, die in der Tagesschau zu sehen war. Dort fanden die Polizisten bei einer Demonstranten-Durchsuchung eine Klobürste in dessen Hosenbund.

So eine Steilvorlage läßt sich natürlich niemand entgehen und so wird mit der Klobürste gezeigt, wie wenig Vertrauen und Verständnis für Politik und Polizei noch da ist. Selbst flachste Witze sind nicht so flach, wie die Law-and-Order-Politik des hanseatischen Senats, so scheint es:

Aber keine Aufruhr ohne die Bildzeitung, die unter der plakativen Unterschrift „Die Gefahren-Gebiete der Polizei sind richtig“ mal wieder völlig unreflektiert als Plattform für Populismus und Propaganda dient:

Scholz: „Die Hamburgerinnen und Hamburger und die vielen Gäste, die jedes Jahr aus dem In- und Ausland zu uns kommen, wissen, dass wir in einer liberalen und weltoffenen Stadt leben. Hier gibt es ein gutes Miteinander von Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen, mit verschiedener Herkunft oder Religion. Dieses liberale Klima wollen wir bewahren. Die Voraussetzung dafür ist, dass sich alle an Recht und Gesetz halten.“

Kritische Rückfragen? Ich bitte Euch, es ist die Bild. Da sind die Fragen nicht kritisch, sondern Brücken die gebaut werden:

 BILD: Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ruf der Stadt durch die zunehmende Gewalt bundes- und weltweit nicht nachhaltig Schaden nimmt?,

Ich verrate Euch nix neues wenn ich sage, dass das Übelkeit bei mir erregt.

Interessant ist, dass Bild hier aber scheinbar in Zugzwang ist. Denn in anderen  Publikationen (leider viel zu wenigen atm) wird inzwischen sehr viel kritischer auf Hamburg geschaut. So auf Telepolis:

Da offensichtlich selbst Springer-Reporter nachrechnen können, dass eine Demo nicht zu früh gestartet sein kann, wenn sie für 14 Uhr angemeldet war und sich um kurz nach 15 Uhr schlussendlich in Bewegung setzte, und da im Internet zu Hauf Videos, Augenzeugenberichte, z. T. von bürgerlichen Journalisten, etc. auftauchten, die belegten, dass aus der Demo bis zu deren gewaltsamen Abbruch seitens der Polizei keine Gewalt ausgegangen sei, war die Beweislage für die Staatsmacht recht dünn. Das Szenario, das am 21.12.2013 nach 15 Uhr folgte, der stundenlange Kessel vor der Roten Flora, die Gewaltexzesse, bei denen Glasscheiben zu Bruch gingen, Autos zerstört wurden, unbeteiligte Anwohnende sich bedroht fühlten, und bei dem knapp 700 Menschen zu Schaden kamen, ließ sich lange mit dem hohen Gewaltpotential seitens der Demonstrierenden erklären.

Sehr schnell wurde klar, dass die harte und unbesonnene Strategie seitens der Polizeiführung entscheidend zur Eskalation beigetragen hat. Auch wenn in den Medien zunächst nur die üblichen Krawallberichte zu sehen waren, gerieten Polizei und Senat zunehmend in Erklärungsnot.

Und genau diese kritisch hinterfragende Funktion der Presse vermisse ich ja seit den Krawallen rund um die rote Flora.

Die Auswirkungen sind allerdings zwischen belustigend und beängstigend. Man muss sich mal vorstellen, dass die USA (sic!) inzwischen indirekt vor Reisen nach Hamburg warnen:

U.S. Embassy Berlin informs U.S. citizens that as a result of violent protests in December, the Hamburg police have established a 24/7 restricted zone covering a large area of the city of Hamburg, including the city’s nightlife area.

The restricted zone (“Gefahrengebiet”) gives police officers extra authority to stop, search, and ban people from the area.  It includes the red light district of the Reeperbahn, the Old Town, St. Pauli, and Altona Nord, including the Sternschanzen area (Rote Flora district).

Police require that all persons in public areas carry their passport or “Ausweis.”  If stopped without proper identification, persons may be detained by police without further justification.

Even demonstrations intended to be peaceful can turn confrontational and escalate into violence.  You should avoid areas of demonstrations or public gatherings, especially in the restricted areas, and exercise caution if in the vicinity of any large gatherings, protests, or demonstrations.

We strongly recommend that U.S. citizens traveling to or residing in Germany enroll in the Department of State’s Smart Traveler Enrollment Program (STEP) at travel.state.gov.  STEP enrollment gives you the latest security updates, and makes it easier for the U.S. embassy or nearest U.S. consulate to contact you in an emergency.  If you don’t have Internet access, enroll directly with the nearest U.S. embassy or consulate.

Wow.

Und bei all dem wird eine Frage kaum erörtert: Könnte eine andere Strategie, als das Verheizen von Polizisten, hier geeignet sein die Gewaltspirale zu durchbrechen? Ich denke ja und ich glaube, es wird an der Zeit von der Politik, erst in Hamburg, dann im Bund, entsprechendes umdenken einzufordern. Und wenn das nicht freiwillig passiert, muss zwingend über das Wahlverhalten (Grüne, Piraten, Linke) eingegriffen werden.

Denn, wenn man sich die Auswüchse der SPD-Politik in Hamburg anschaut, sind einzelne Lichtblicke wie Maas zwar gut, täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Politik in weiten Zügen der Politik der CDU/CSU zum verwechseln ähnlich geworden ist. Denn wir dürfen nicht vergessen um was es eigentlich in Hamburg ging: Bezahlbaren Wohnraum. Einst ein Ur- und Kernthema der Sozialpolitik(!) in Deutschland, deren strahlender Vertreter einst die Sozialdemokraten(!) waren….

Hamburger Gefahrengebiet, der SpOn und die kritischen Polizisten

Nachdem ich vorige Tage über das „Hamburger Gefahrengebiet“ geschrieben habe, habe ich das Thema natürlich weiter verfolgt. Denn vor allem das in meinen Augen offensichtliche Versagen der 4. Gewalt hat mich schon sehr berührt. Und nachdenklich gemacht.

Heute morgen dann im Zug habe ich online auf SpOn einen Artikel von Silke Burmester gelesen, der mich ehrlich gesagt sprachlos gemacht hat. Und schon die Unterüberschrift (was ist das eigentlich für ein Wort?) hat dann den Kurs vorgegeben, den der Beitrag dann auch nichtr verlassen hat:

 Mein Leben verspricht, aufregend zu werden: Die Hamburger Polizei hat St. Pauli und das Schanzenviertel zum Gefahrengebiet erklärt. Fragt sich nur, was muss ich tun, damit auch ich nach meinem Ausweis gefragt werde?

Frau Burmeister versucht, der Situation mit Ironie etwas abzugewinnen. Ein Versuch, der meiner Meinung nach nicht nur zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch gefährlich. Denn durch ihre Art verharmlost sie die Vorgänge nicht nur unzulässig – sie legitimiert sie auch durch das fehlen jeder sachlichen Kritik oder auch nur Auseinandersetzung.

Allerdings ist das Gute oft nur einen Klick vom Schlechten entfernt und kommt in dem Artikel „Panzer statt Hirn“ von Sebastian Hammelehle daher:

 Rechtlich korrekt ist nicht immer auch politisch richtig: In Hamburg lässt sich derzeit beobachten, wie falsche Symbolpolitik funktioniert. Olaf Scholz schafft sich große Probleme dort, wo zuvor nur kleine bestanden. Er kann mit diesem Kurs nur verlieren.

Hammelehle arbeitet sehr schön das politische Erbe der Schill-Ära heraus und zeigt auf, wie groß das Gefahrenpotential ist – und das das eigentliche Ziel zwangsläufig verfehlt werden muss.

In dem Zusammenhang würde ich auch gerne noch mal auf die Pressemittelung Kritischer Polizistinnen und Polizisten zu dem Thema hinweisen:

Dieses polizeilich-politische Desaster (nur wie Nebenbei angemerkt: am stärksten für unseren Rechtsstaat) kann auch nicht durch markige Worte oder serieller Gruß- und Solidaritätsadressen an die Konfliktpartner ungeschehen gemacht werden.

Wer ein bisschen Zeit hat, sollte sich die PM mal durchlesen.

 

Argumente? Welche Argumente?

Letzte Tage habe ich die Frage in den Raum gestellt, ob ich irgendwas verpasst habe. Inzwischen würde ich sagen: Ja, ich muss irgendwas verpasst haben.

Gerade lese ich von Chris Sickendieck auf Twitter:

Und wenn man dem Link folgt, landet man in einem Artikel, der folgende Maßnahme ankündigt:

Die Hamburger Polizei stellt sich erneut auf ein arbeitsreiches Wochenende ein – und trifft daher Vorkehrungen: Ab Sonnabendmorgen, 6 Uhr, werden große Teile Hamburgs zum Gefahrengebiet erklärt. Diese Maßnahme gilt lageabhängig bis auf Weiteres und betrifft vor allem die Region Altona, St. Pauli und Sternschanze.

Äh Gefahrengebiet? Was ist das denn und was hat es damit auf sich? Wer jetzt aber denkt, in dem Artikel würden sachliche Informationen vermittelt, der irrt. Vermutlich direkt per CTRL+C CTRL+V aus einer Pressemitteilung geklöppelt liest man:

Durch die Einrichtung eines Gefahrengebietes können relevante Personengruppen einschließlich ihrer mitgeführten Sachen überprüft und aus der Anonymität geholt werden. Zudem können Platzverweise erteilt, Aufenthaltsverbote ausgesprochen und Personen in Gewahrsam genommen werden.

Was ist das denn für ein Schwampf? Kann ja sein, das ich mich irre aber hat die Polizei nicht schon jetzt das Recht Personen und deren Personalien zu prüfen und bei Bedarf Platzverweise zu erteilen? Oder die legendären „Gefährder“ in Gewahrsam zu nehmen?

Aber hey, kein Grund zur Aufregung:

„Die Kontrollen werden wie gewohnt mit Augenmaß durchgeführt (…)“, teilte die Polizei Hamburg mit.

Na dann ist ja alles gut. Oder doch nicht?

Die Wikipedia kennt Gefahrengebiete nämlich nur aus der Luftfahrt. Und selbst wenn man das anwenden würde, fehlt hier schon die zeitliche Bestimmtheit.

Sucht man mit Google dann nach „Polizeirecht Gefahrengebiet“ um mal zu erfahren auf welcher Rechtsgrundlage ein solches Gebiet bestimmt und letztlich umgesetzt wird, erhält man erst mal nur Links die Hamburg betreffen. Und selbst beim Republikanischen Anwaltsverein findet sich keine wirklich Rechtsgrundlage.

In dem Fall muss dann die Frage erlaubt sein, ob Chris nicht recht hat mit seinem Vergleich zu einem Polizeistaat. Oder ob man nicht gar vom Unrechtstaat sprechen muss.

Und es ist ein Mal mehr extrem bedauerlich, dass ich hier im Blog solche Fragen stellen muss. Und nicht die Vierte Gewalt sie gestellt hat – sondern nur vorbehaltlos übernommen hat, was da aus dem Fax quoll.

 

Linke Terrorwelle?

Äh….

hab ich was verpasst?

https://twitter.com/FWhamburg/status/417688048311484416

Der Ketzer in mir will fragen, ob eine Wahl ansteht? Oder irgend etwas anderes als die CSU-Idiotie gerade aus der Presse gedrängt werden muss? Oder brauchen wir gerade irgendwo schärfere Gesetze? Irgendwas muss doch sein?

Rückbau von Atomkraftwerken?

Man ist ja von den Betreiberen, Errichtern und Rückbauern von Atomkraftwerken einiges gewöhnt – nicht zuletzt den Versuch, die Kosten für den Rückbau durch die Bevölkerung zahlen zu lassen.

Ein neuer, nicht weniger kurioser und auf jeden Fall erschreckender Vorschlag kommt jetzt aus Hamburg vom stillgelegten Kraftwerk Lubmin: Stehenlassen und hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt!

Die Strategie ist schnell erklärt: Die Gebäude des Atomkraftwerks Lubmin sollen rund 50 Jahre stehen bleiben – so lange, bis die Radioaktivität in Mauern und Böden weitgehend von selbst abgeklungen ist. Danach sollen die AKW-Anlagen wie herkömmliche Häuser abgerissen werden.

Quelle: SPON

Ja ne ist klar. Da ist man dann erst mal Sprachlos..