Gestatten: Mensch. Besonderes Merkmal: Flache Lernkurve

Ich stelle jetzt mal die Vermutung in den Raum, dass wir Menschen alle wie Homer Simpson sind: Wir legen unsere Hand immer wieder auf die heiße Herdplatte und hoffen, dass es beim nächsten Mal einfach nicht weh tut.

Anders ist das nicht zu erklären. Wirklich nicht.

Achso, ich sollte Euch kurz sagen, um was es geht. Also: Vor gar  nicht soooo langer Zeit kamen wir auf die Idee, dass es gut wäre, Löcher und Stollen in die Erde zu graben, um Kohle hervor zu holen. Das hat unwidersprochen dem Wohlstand einen großen Schub verpasst, aber oh welche Überraschung: Es bleibt nicht ohne Folgen:

Tagesbrüche und kleinere Beben sind Alltag im Ruhrgebiet – und werden es auch bleiben. Die Senkung der Erdoberfläche müsste dagegen Mitte der 2020er-Jahre aufhören. Und dann sind da noch Wasserhaltung und Pumpsysteme bis in alle Ewigkeit, damit nicht ein Drittel des Ruhrgebiets absäuft.

DerWesten, 17.11.2014

Kurz darauf kam man auf die Idee, Strom mittels Atomkraft zu produzieren. Man ignorierte alle Mahner und Warner, versenkte unsummen von Geld in Fördermittel, machte ein paar Unternehmen steinreich und steht heute vor einem Scherbenhaufen, der da lautet: Wir wissen erstens nicht wohin mit den strahlenden Abfällen (Überraschung) und wer das bezahlen soll – die Verursacher wollen nicht (Überraschung):

Deutschlands größter Energiekonzern legt sich mit der Politik an – und droht mit einer Klage: Eon will sich finanziell nicht an der Suche nach einer Alternative zum Atommüll-Endlager Gorleben beteiligen. Dem Bund drohen damit neue Milliardenkosten.

SZ, 20.11.2014

Und dann ist da natürlich noch das Risikopotential. Natürlich versicherte man uns immer wieder, dass Atomanlagen sicher und Atomenergie beherrschbar sind. Nur das die Realtitä die Beschwichtiger natürlich der Lüge überführt.

Und jetzt kommt unsere Umweltminister. Ausgerechnet die! Ausgerechnet die Ministerin, die mit einer Maximalforderung in jede Verhandlung gehen sollte und kündigt schon mal an, den Widerstand gegen die nächste Problemtechnolgie auf Sparflamme fahren zu wollen:

Die Hürden, Fracking in Deutschland zu erlauben, sollen hoch bleiben. Doch ein Totalverbot der umstrittenen Methode zur Gasgewinnung hält Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für rechtlich unmöglich. Bei Unbedenklichkeit könne die Methode auch in Deutschland angewandt werden.

ZDF, 21.11.2014

Die Hürden bla bla bla werden natürlöich fallen. Bei Unbedenklichkeit? Jeder Mensch mit dem IQ von Raumtemperatur oder darüber kann z. B. in den USA sehen, dass Fracking auf keinen Fall unbedenklich ist.

Die umstrittene Fracking-Gasförderung soll in Deutschland nicht verboten, aber auf ein Minimum begrenzt werden. „Oberste Priorität haben der Schutz von Umwelt und Trinkwasser“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag in Berlin.

RP, 21.11.2014

Hätten Trinkwasser und Umwelt wirklich die Priorität, würde der Gesetzgeber einfach die Rahmenbedingugen schaffen, die ein Totalverbot von Fracking erlauben. Denn genau das kann und darf er. Sich statt dessen aber hinstellen und behaupten, man könne nicht, ist ein Armutszeugnis.

Bei einer SPD-Politikerin darf das allerdings nicht wundern. Zu fest ist die SPD mit der Schwerindustrie verwachsen und u. a. durch die Kumpel erst zu der Partei geworden, die sie ist. Wir sehen also: Aus der Vergangenheit nichts gelernt.

 

Does not compute: Mehr Strom gegen zu viel Strom?

Kennt Ihr das? Wenn man glaubt Dinge zu verstehen um dann zu erfahren, dass man sie offensichtlich nicht versteht?

Bisher verstand ich das mit dem Windstrom so:

Viel Wind = viel Strom.

Das ist auch logisch, denn um so mehr Windkrafträder drehen, um so mehr Strom kommt ins Netz. Wohl gemerkt: Die Anzahl der Windkraftanlagen ist entscheidend, denn die Drehzahl und damit die Menge von Strom je Anlage ist relativ fix.

Jetzt ist das mit dem „Ökostrom“ ja so, dass der nicht so super berechenbar ist. Also bauen die Netzbetreiber Anlagen die dafür sorgen, dass der Strom immer schön gleichmäßig im Netz bleibt. Und sie kompensieren Schwankungen z. B. mit gut regelbaren Gaskraftwerken. Also wenn zu wenig Strom aus der Solar- und Windkraft kommt, wird einfach das Gaskraftwerk hoch gefahren und produziert mehr, so dass in der Theorie immer genug da ist.

Wenn dagegen zu viel Windstrom da ist, weil zu viele Anlagen in Betrieb sind oder zu wenig Strom kompensiert wird, haben die Netzbetreiber die Möglichkeit, Anlagen abzuschalten. Allerdings gilt hier eine Priorisierung: Es darf nicht abgeschaltet werden, um dann Ersatzstrom aus konventionellen Energieträgern einzuspeisen.

Heute lerne ich aber was etwas neues. Etwas, das mich verblüfft. Und bei dem mein interner Braincompiler irgendwas von „…does not compute…. syntax error…“ brabbelt. Nämlich:

Wenn zu viel Wind da ist und zu viel Strom produziert wird, muss man Kohlekraftwerke einschalten um noch mehr Strom zu produzieren um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Häh?

Wie bitte?

Mehr Strom gegen zu viel Strom?

Jepp, so steht es geschrieben:

Zur Sicherung der Stromversorgung greifen die Netzbetreiber in Deutschland das erste Mal in diesem Winter auf Reservekraftwerke zurück. Für Dienstag seien vorsorglich Anlagen mit einer Leistung von 850 Megawatt aktiviert worden, teilte der Netzbetreiber Tennet am Montag mit. Weitere 150 Megawatt könnten noch hinzukommen.

Grund hierfür sei unter anderem die in den kommenden Tagen erwartete starke Windfront, durch die die Systemsicherheit gefährdet werden könnte. Je mehr Ökostrom wie etwa Windenergie in das Netz eingespeist wird, desto größer ist die Gefahr, dass es zu Schwankungen kommt. Reservekraftwerke können kurzfristig dafür sorgen, dass die Einspeisung von Strom und der Verbrauch stets im notwendigen Gleichgewicht bleiben.

Das macht in meinen Augen doppelt keinen Sinn:

  1. Mehr Wind = Mehr Strom =/= höherer Verbrauch. Nur weil mehr Strom verfügbar wäre, wird nicht automatisch mehr Strom verbraucht, was bei einem Abfallen der Windkraft zu einer Übernutzung führen würde. Oder habe ich da was falsch verstanden?
  2. Insbesondere Kohlekraftwerke, die meisten Reservekraftwerke sind genau solche, sind nur schlecht bis gar nicht in der Leistung regelbar und viel zu träge um tatsächlich kurzfristige Leistungskompensation zu erbringen. Hierfür eignen sich die modernen Gaskraftwerke deutlich billiger.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: An meinem Verständnis der Stromnetze und Stromversorgung ist irgendwas komplett falsch – und auch meine mehrjährige Angehörigkeit im Energiebeirat des RWE konnte daran nix ändern.

Oder aber hier versucht gerade irgend jemand mich zu verarschen und der Westen hat, wie viel zu oft, absolut unkritisch wiedergegeben, was ein Anti-Ökostrom-Lobbybund von sich gegeben hat.

Ich würde da auf letzteres Tippen.

Die wahre Wahrheit über Strom und Strompreise ;-)

Derzeit wird versucht, die verfehlte Energiepolitik der Schwarz-Gelben Bundesregierung damit zu überdecken, dass Strom verteuert wird. Falsch begründet mit der Energiewende werden die industriellen Großverbraucher entlastet und die Bürger belastet.

Gleichwohl kann auch Dr. Merkel nicht verhindern, dass die Macht der Zahlen eine ganz andere Sprache spricht. So berichtet heute die Rheinische Post:

Die Energiewende belastet die Kraftwerksbetreiber in NRW stärker als bislang bekannt. Das geht aus einem streng vertraulichen Gutachten des schweizerischen Prognos-Instituts für das NRW-Umweltministerium hervor, das unserer Zeitung vorliegt. 29 der 71 konventionell betriebenen Kraftwerksblöcke (Steinkohle, Braunkohle, Erdöl oder Erdgas) in NRW haben demnach innerhalb der nächsten zwei Jahre mit wirtschaftlichen Problemen zu rechnen.

Und es stimmt: Die Energiewende belastet. Allerdings nur solche Energieversorger, die an alten Geschäftsmodellen und fossilen Energieträgern fest halten – und damit auch an oliopolen Strukturen auf dem Energiemarkt, der immer noch von den Big4 regiert wird: E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW.

Eigentlich traurig ist, dass hier der Markt die Führungsrolle übernehmen muss, die eigentlich von der Politik ausgefüllt werden muss:

Grund für die zu erwartenden Verluste sind die sinkenden Großhandelspreise für Strom durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien etwa aus subventionierten Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Darunter haben in NRW vor allem alte Steinkohle- und Gaskraftwerke zu leiden. Einige von ihnen könnten rein technisch betrachtet zwar noch über 30 Jahre lang laufen. Wegen ihrer veralteten Technik holen sie jedoch zu wenig Strom aus den Rohstoffen, um auch unter den Marktbedingungen der Energiewende noch profitabel arbeiten zu können.

(Und ebenso schade ist die durchgängig negativ konnotierte Wortwahl der RP)

Es mag sein, dass die Kraftwerke noch 30 Jahre laufen können. Aber es ist doch gut, wenn sie es nicht müssen, oder? Und die Subventionen der Stromerzeugung aus regenerativer Energie sollte man vielleicht mal den Subventionen der Kohle- und Atomstromindustrie gegenüber stellen.

Und noch besser ist, wenn der Strompreis so stark sinkt. Am Besten wäre jetzt, wenn das auch noch beim Endkunden ankommt und der an seiner Brieftasche auch merkt, dass ersten Strom sparen lohnt. Und zweitens, dass Strom aus erneuerbaren Quellen nicht nur gut sondern besser ist.

Das Kraftwerk Voerde gehört übrigens wie das Kraftwerk Walsum zu den eindeutigen Verlierern der Energiewende und wird, so prognostiziert der Artikel der RP, bereits in 2014 in wirschaftliche Schieflage kommen. Allerdings ist eine mögliche Abschaltung der STEAG Voerde kein neues Diskussionsthema…

Energiewende? Nicht mit Merkel und der CDU

Klar, wir steigen aus der Atomenergie aus. Dafür müssen wir jetzt der CDU dankbar sein, die erst den Ausstieg aus dem Ausstieg besiegelte. Um dann vom Ausstieg aus dem Ausstieg wieder auszusteigen.

Leider aber wäre Merkel nicht Merkel und die CDU nicht CDU, wenn das wirklich etwas ändern würde. Statt in neue AKW investiert man dann einfach… richtig in Kohlekraftwerke. Alternativ auch gerne in „Offshore-Windparks“. Die wirken dann Öko, sind aber im Grunde doch wieder nur zentrale Großprojekte.

Telepolis hat noch einmal anläßlich des gestrigen „Energiegipfels“ zusammengefasst, wie die Bundesregierung versucht, die Big Four im Energiemarkt zu schützen, wie sie dezentrale Strukturen zu verhindern versucht und wie sie die Risiken der Atomenergie nach wie vor leugnet:

Merkel mag keine Erneuerbaren

Besser kann man es eigentlich gar nicht zusammenfassen. Und jeder, der am 13. Mai in NRW sein Kreuz bei der CDU macht, unterstützt Merkel und die ihren in ihrem irren Kurs…