#nrw12: Voll auf die Fresse

Wenn mich vor der Wahl jemand gefragt hat, wie sie ausgeht – ich hätte keinen Euro gewettet. Und nach der Wahl stellt sich raus, dass meine „Prognose“ so gut wie schlecht gewesen ist:

  • Nie im Leben hätte ich erwartet, dass die FDP so deutlich in den Landtag einzieht
  • Nie im Leben hätte ich erwartet, dass die CDU so deutlich verliert
  • Bei einer rot-grünen Fortsetzung war ich skeptisch

Meine Annahme war, dass es für die FDP sehr knapp wird und ebenso für rot-grün. Bei der SPD und den Grünen hätte ich erwartet,  dass die Wanderbewegung zu den Piraten sich deutlich stärker auswirken würde. Das Wahlergebnis hat mich echt überrascht!

Wahlergebnis, grafische Darstellung ;-)
Wahlergebnis, grafische Darstellung 😉

In Voerde ist das übrigens so, da ziehen die Piraten mit 9,01% (+7,08) deutlich an den Grünen mit 7,41% (-1,00) vorbei. Dafür hatte Voerde allerdings auch 61,75% Wahlbeteiligung – my town rocks.

Ich hatte sogar zwischendurch die Befürchtung, dass es für rot-grün nicht reicht und es vielleicht sogar auf eine große Koalition, im schlimmsten Fall unter der Führung Röttgen hinauslaufen wird.

Insgesamt freut mich das Wahlergebnis aber, weil…

  • wir eine handlungsfähige rot-grüne Regierung haben
  • die Piraten an Einfluß gewinnen in einem Maß,
  • in dem die CDU an Einfluß verliert.

Übrigens hat die CDU in Voerde auch mal eben -6,52% eingefahren und ist nur bei 23,69% gelandet. Im vorherigen Lauf war sie noch bei 30,21%. Die SPD könnte nach Voerde Verhältnissen allein regieren, hat sie doch noch mal +3,79% eingefahren und steht bei unglaublichen 51,45%. Wäre Voerde NRW, wäre die FDP übrigens draußen: 3,6% (was immer noch +0,79 zur letzten Runde sind).

 

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Das Foto ist von @Thorstenfaas: https://twitter.com/#!/thorstenfaas/statuses/201716453123174401

Gauckelei im Internet?

Die Diskussion um den designierten Bundespräsidenten nimmt inzwischen kuriose Züge an.

Für die großen Parteien scheint Gauck gesetzt zu sein.  Die Freundin von Gauck wird in der Presse gar schon als First Lady tituliert und hofiert. Die kleinen Parteien haben ihre Chance verschlafen.

Plötzlich aber tauchen Zweifel auf. Ist Gauck wirklich geeignet? Wer ist dieser Mensch, wie tickt er? Die Zweifel kommen – wie so oft in letzter Zeit – aus „dem Internet“. Und in einer fast schon panischen Reaktion versuchen verschiedenste Stellen, jede Irritation im Keim zu ersticken. Vorne dabei: Springer.

Interessant ist zu beobachten, mit welchen Tricks und Kniffen gearbeitet wird. Derzeit der beliebteste Vorwurf: Kritik an Gauck entstehe durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate. Tun sie nicht, entgegnet „das Internet“. Über Sachfragen wird eigentlich nicht gesprochen, es geht nicht um Argumente. Es zählt einzig die Lautstärke.

Persönlich glaube ich, dass wir hier einen Kulturkampf erleben. Vielleicht den ersten der letzten Kämpfe um Meinungsmacht und Deutungshoheit. Denn ich glaube, dass Gauck erneut nominiert wurde (also der Verlierer vom letzten Mal), dass er so einmütig nominiert wurde, dass sich zahlreiche Organe der öffentlichen Meinung kritiklos vereinnahmen lassen, all das ist Zeichen für eine (erfolgreiche und) gut gesteuerte Kampagne.

Ziel der Kampagne war es am Anfang sicherlich nur, einen genehmen Menschen in das Amt des Bundespräsidenten zu heben – und auch die letzte Bastion der Demokratie ad absurdum zu führen. Inzwischen geht es aber auch um den Kampf der Meinungsführer gegen das Internet.

Das Internet, wir erinnern und, ist ein Hort der Pädophilen und Raubkopierkillerspielmörder. Und was würde passieren, wenn breite Massen der Bevölkerung jetzt erkennen, dass das Internet tatsächlich mehr ist und mehr Macht verleihen kann, als irgendeine Bevölkerung jemals hatte? Das Wahlen nicht mehr nur ein Placebo sein müssen, um das Volk ruhig zu halten? Sondern das echte Macht vom Souverän ausgeht? Ich kann mir nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Gruppen vorstellen, deren größter Albtraum das wäre.

In der Folge kann und darf es nicht verwundern, dass spezifische Gruppen alles daran setzen, Gauck durch zu setzen und Kritik aus „dem Internet“ zu diffamieren. Während auf der anderen Seite gezielte Kampagnen eben in diesem Internet laufen, die Gauck stützen sollen. Man darf dabei nicht das große Interesse außer Acht lassen, das Internet zu einer eingezäunten Konsumzone zu machen.

Von daher ist die aktuelle Entwicklung um Gauck spannend zu beobachten. Und es geht längst nicht nur um die Frage wer Gauck ist.

Kleine Anekdote am Rande ist die Piratenpartei: Diese hat nicht nur die vielleicht größte Chance ihrer Geschichte verpasst, sie scheint auch noch fest im Winterschlaf zu sein. Zumindest die Teile, die nicht Kindergarten spielen.

Das Ende der Demokratie – und niemand merkt’s?

Es gibt da ein Zitat, das heute aktueller denn je zu sein scheint, leider ist mir die Quelle nicht bekannt:

„Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.

Jetzt haben wir aber Wahlen erlebt, die etwas veränderten. Die FDP sinkt in die Bedeutungslosigkeit, CDU und SPD verlieren massiv und damit auch Macht und Einfluss. Die Grünen und die Piraten dagegen wachsen.

Aus Sicht der Machthalter ist das ein Zustand, der nicht geduldet werden kann. Nur: Wie verhindert man Wahlen ohne sie gleich zu verbieten? Denn Wahlen zu verbieten, das würde einen Aufschrei bedeuten.

Der eingeschlagene Weg ist interessant, weil er selbst von „der Presse“ als gut und keineswegs schlimm empfunden wird. Ganz anders bei mir: Ich kriege eine Mischung aus Schnappatmung und Panik.

Denn eines der Wesensmerkmale unserer Parlamentarischen Demokratie ist doch, dass wir die Menschen die uns vertreten sollen wählen. Auf allen Ebenen, vom Bürgermeister bis zum Bundespräsidenten. Mal direkt, mal über Vertreter.

Und genau diese Wahl nimmt man uns jetzt und verkauft uns das als Erfolg. Gauck als gemeinsamer Kandidat der CDU, FDP, SPD und Grünen? Ein Albtraum, denn welche Wahl hat die Bundesversammlung noch, wenn es de facto nur einen Kandidaten gibt? Gauck wird nicht gewählt werden. Er wird gekürt werden.

Für die FDP ist dieser Betrug am Volk essentiell zum Überleben. Und auch wenn sie damit Merkel bis auf die Knochen blamiert haben, wird auch Merkel die Wahl von Gauck nicht unterbinden. Und die SPD sowieso nicht.

Gleiches auch auf lokaler Ebene: In Duisburg reden alle (bis auf die CDU?) von einem „gemeinsamen Kandidaten“. Wohl gemerkt: Ein Kandidat für und von allen. Auch hier keine echte Wahl mehr.

„Es ist schon ein großer Trost bei Wahlen, daß von mehreren Kandidaten immer nur einer gewählt werden kann.“ (Mark Twain)

Wieso geht derzeit kein Aufschrei durch das Land?

Vor allem die Piraten, aber auch die Grünen und die PDL müssen hier aufstehen. Denn es kann nicht sein, dass wahlweise die SPD und CDU oder die jeweilige Regierungskoalition einen Kandidaten bestimmt und de facto durchsetzt – ganz gleich ob es Wählerwille wäre oder nicht. Besonders die Piraten enttäuschen mich hier, hätten sie doch die Möglichkeit gehabt, z. B. mit Schramm einen unkonventionellen Wahlvorschlag zu machen – und zumindest auf die Farce einer Bundespräsidenten“wahl“ ohne Alternative hinzuweisen. So aber lassen alle Parteien TINA den Vortritt – und uns verkauft man das ernsthaft als Erfolg.

Das, was hier passiert ist die Abschaffung des Wahlrechts.

 

 



Mit freundlicher Genehmigung von K. Stuttmann