Argumente? Welche Argumente?

Letzte Tage habe ich die Frage in den Raum gestellt, ob ich irgendwas verpasst habe. Inzwischen würde ich sagen: Ja, ich muss irgendwas verpasst haben.

Gerade lese ich von Chris Sickendieck auf Twitter:

Und wenn man dem Link folgt, landet man in einem Artikel, der folgende Maßnahme ankündigt:

Die Hamburger Polizei stellt sich erneut auf ein arbeitsreiches Wochenende ein – und trifft daher Vorkehrungen: Ab Sonnabendmorgen, 6 Uhr, werden große Teile Hamburgs zum Gefahrengebiet erklärt. Diese Maßnahme gilt lageabhängig bis auf Weiteres und betrifft vor allem die Region Altona, St. Pauli und Sternschanze.

Äh Gefahrengebiet? Was ist das denn und was hat es damit auf sich? Wer jetzt aber denkt, in dem Artikel würden sachliche Informationen vermittelt, der irrt. Vermutlich direkt per CTRL+C CTRL+V aus einer Pressemitteilung geklöppelt liest man:

Durch die Einrichtung eines Gefahrengebietes können relevante Personengruppen einschließlich ihrer mitgeführten Sachen überprüft und aus der Anonymität geholt werden. Zudem können Platzverweise erteilt, Aufenthaltsverbote ausgesprochen und Personen in Gewahrsam genommen werden.

Was ist das denn für ein Schwampf? Kann ja sein, das ich mich irre aber hat die Polizei nicht schon jetzt das Recht Personen und deren Personalien zu prüfen und bei Bedarf Platzverweise zu erteilen? Oder die legendären „Gefährder“ in Gewahrsam zu nehmen?

Aber hey, kein Grund zur Aufregung:

„Die Kontrollen werden wie gewohnt mit Augenmaß durchgeführt (…)“, teilte die Polizei Hamburg mit.

Na dann ist ja alles gut. Oder doch nicht?

Die Wikipedia kennt Gefahrengebiete nämlich nur aus der Luftfahrt. Und selbst wenn man das anwenden würde, fehlt hier schon die zeitliche Bestimmtheit.

Sucht man mit Google dann nach „Polizeirecht Gefahrengebiet“ um mal zu erfahren auf welcher Rechtsgrundlage ein solches Gebiet bestimmt und letztlich umgesetzt wird, erhält man erst mal nur Links die Hamburg betreffen. Und selbst beim Republikanischen Anwaltsverein findet sich keine wirklich Rechtsgrundlage.

In dem Fall muss dann die Frage erlaubt sein, ob Chris nicht recht hat mit seinem Vergleich zu einem Polizeistaat. Oder ob man nicht gar vom Unrechtstaat sprechen muss.

Und es ist ein Mal mehr extrem bedauerlich, dass ich hier im Blog solche Fragen stellen muss. Und nicht die Vierte Gewalt sie gestellt hat – sondern nur vorbehaltlos übernommen hat, was da aus dem Fax quoll.

 

Immer die anderen?

Der Westen hat im Moment auf seiner Homepage gleich zwei Mal Schumi:

Einmal fürchten die Ärtze um sein Leben. Ein Mal eine Fotostrecke.

Denn Klicks bringen Kohle:

Homepage der Westen am 30.12.13 um 17:20
Homepage der Westen am 30.12.13 um 17:20

Ist ja okay. Im Nachrichtenloch zwischen den Jahren und Feiertagen ist man ja über jede Nachricht froh. Und das dann eine solche Nachricht bis zum letzten Tropfen Blut ausgeschlachtet wird, ist wohl zu erwarten.  Was ich dann aber – offen gesagt – Scheisse finde ist dieser Tweet:

Denn alternativ könnte man ja wohl auch sagen:

„Wie skrupellose Medien die Aufmerksamkeit um den verunglückten Miachel #Schumacher für sich nutzen wollen:“

Keine Frage, alle Presseerzeugnisse stürzen sich im Moment auf das Thema und ich kann mir schon vorstellen, wie schon die Nachrufe geschrieben werden. Aber die Scheinheiligkeit, die aus dem Tweet in Verbindung mit der eigenen Homepage tropft, finde ich trotzdem besonders beachtenswert.

Liebe @derwesten-Mitarbeiter, das hätte man mit deutlich mehr Niveau lösen können.

Wenn mir die Rheinische Post die Tränen in die Augen treibt

Ich blättere morgens immer durch die RP auf der Suche nach Lokalmeldungen die interessant sind. Der Rest der Totholzpresse interessiert mich nicht – da ist die RP allerdings in guter Gesellschaft mit anderen Produkten. Aber heute morgen hat mit schon die Startseite der RP Tränen in die Augen getrieben:

Millionen Vodafone-Daten in Ratingen gestohlen

„Wenn mir die Rheinische Post die Tränen in die Augen treibt“ weiterlesen

„Meiners: Abschied vom falschen Mythos Hindenburg“

Die Rheinische Post zitiert mich heute ebenfalls umfangreich – leider derzeit nur hinter Paywall:

VOERDE (RP) Stefan Meiners, Ratsherr der Grünen, hat den Eindruck gewonnen, dass in Sachen Hindenburgstraße einige konservative und liberale Kommunalpolitiker auf dem rechten Auge blind sind und versuchen, eine Aufarbeitung der Gesschichte zu verhindern.

Den ganzen Artikel lesen als PDF: 130205_RP_Meiners

„Nicht nur auf dem rechten Auge blind“

Heute morgen in der NRZ und auf derWesten:

Voerde. „Bei mir entsteht der Eindruck, dass einige Politiker in Voerde nicht nur auf dem rechten Auge blind sind. Sondern mit fadenscheinigen Argumenten, wie ach so hohen Kosten, versuchen, eine Aufarbeitung der Geschichte zu verhindern.“ Deutliche Worte, mit denen der Voerder Ratsherr Stefan Meiners – ausdrücklich nicht im Namen seiner Grünen – einige „konservative und liberale Kollegen in der Voerder Politik“ angreift, die sich gegen die Umbenennung der Hindenburgstraße aussprechen (Lokalseite 1).

Ganzer Artikel als PDF: 130205_WAZ_Nicht nur auf dem rechten Auge

Alternativer Textvorschlag für den Spiegel…

Ich habe heute morgen auf dem Weg zur Arbeit noch gesagt, ich bin entsetzt wie leicht es ist die Menschen dumm zu halten. Und kaum rollen die ersten Tweets der Nachrichtenagenturen an mir vorbei, wird mir auch klar: Beim dumm halten gehen Politik und Presse Hand in Hand – und ich rede ausnahmsweise mal nicht vom Leistungsschutzrecht 😉

Im SpOn gibt es heute einen Artikel unter der reißerischen Überschrift

Hacker machen Kim Jong Un zur „Person des Jahres“

Wäre der Spiegel ein ernst zu nehmendens Nachrichtenmagazin hätte dann in dem Artikel nicht gestanden:

„Bei der Leserabstimmung zur „Person des Jahres 2012“ auf der Internetseite des „Time“-Magazins erhielt Kim 5,6 Millionen Stimmen – und gewann damit mit großem Vorsprung. Die renommierte US-Zeitschrift teilte allerdings mit, dass das Ergebnis größtenteils auf Kampagnen verschiedener Hacker-Gruppen zurückzuführen sei. Diesen hätten den Diktator mit speziellen Klick-Programmen nach vorne gebracht.“

Denn das ist so dumm, dass es weh tut.

Dabei ziele ich gar nicht mal mehr so darauf ab, dass Hacker natürlich keine Menschen sind die „spezielle Klick-Programme“ nutzen. Sondern darauf, dass hier der Eindruck erweckt wird, ein paar wenige hätten hier Schaden angerichtet. Tatsächlich aber handelte es sich hier um eine im Internet entworfene und orchestrierte konzertierte Aktion, die einen erheblichen Aufwand verursachte.

Tatsächlich stammt das Ganze von 4chan, wo nach meinen Beobachtungen eher weniger Hacker als mehr Spinner, teilweise hochintelligent, unterwegs sind. Bei weitem ging es nicht nur darum, den Diktator an die Spitze zu wählen – dort standen schon andere Despoten und selbst der Chef von Facebook.

Und der Spiegel hätte zum Beispiel so berichten können:

Internet verhöhnt Kim Jong Un als Person des Jahres

New York – In einer Internetabstimmung des Time Magazine wurde der nordkoreanische Dikator Kim Jong Un als Person des Jahres gewählt. Ursache dafür dürfte die Mobilisierung eines großen Teils der Internetgesellschaft gewesen sein. Geführt von dem Imageboard „4chan“ haben tausende Nutzer Kim Jong Un an die Spitze der Liste gewählt. Die Nominierung ist insofern nicht ungewöhnlich, als das auch schon Hitler und Stalin „Person of the Year“ waren.

Ungewöhnlich ist, dass es den Kreativen auch gelang, die Rangfolge aller nachfolgenden so zu steuern, dass die ersten Buchstaben der jeweiligen Namen „KJU GASCHAMBER“ ergaben – das Kürzel des Diktator-Namens plus Gaschamber, also Gaskammer. Ein bitteres Wortspiel aus 4chan, das zugleich eine mögliche Zukunft als auch seine Herrschaft umschreiben könnte.

Und so weiter… man müssten dann noch erklären, warum der amerikanische  Bezug zur Gas Chamber ein anderer ist als der Europäische und man könnte noch erklären was 4chan ist oder so. Potential en Masse.
Statt dessen aber hat der Spiegel vorgezogen, es sich leicht zu machen und einfach mal wieder Unsinn zu schreiben. In der Hoffnung, dass ein paar Buzzwords ausreichen, große Betroffenheit zu erzeugen. In der Version von 8 Uhr am 13.12.2012 hatte SpOn das mit den Plätzen 2 bis x übrigens noch nicht geblickt.

Die Boulevarisierung der WAZ?

Ich hatte mich ja erst kürzlich hier über die Art der Berichterstattung auf derWesten aufgeregt – dem Onlineportal der WAZ-Gruppe.

Heute wieder so ein toller Artikel. Fett und rot steht dort in der Headline:

71-Jährige lag fünf Jahre tot in ihrer Messie-Wohnung in Hagen

An der Stelle möchte man den Redakteur schütteln möchte. Wohl weislich steht der Autor deswegen vermutlich auch nicht dabei 😉

Aber mal im Ernst, lieber derWesten:

Ist es nicht schlimm genug, dass ein Mensch einsam in seiner Wohnung sterben muss, offensichtlich überfordert vom Leben und von niemandem in 5 Jahren vermisst? Muss man dann noch einen drauf legen und von einem „versuchten Einbruch“ schwadronieren, der vielleicht wegen der Messie-Eigenschaften nicht vollzogen wurde?

Ich muss an „Das Bo“ denken mit ihrem Hit “ ‚türlich, ‚türlich (sicher, Digger)“ von Anno Tobak. Wir tauschen dann mal Bass gegen Blut, dann passt es wieder…

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Lieber derWesten, wie wäre es mit mitfühlendem Journalismus, kritischer Betrachtung der Gesellschaft und Politik, mit investigativem Journalismus wie im Trinkwasserskandal? Statt solcher „Bild“-Typischer Artikel voller Vermutungen und Blut triefender Headlines?

Und in einem tragischen Fall wie dem in Hagen könnte man sich ja mal auf das gesellschaftliche Problem stürzen, dass immer mehr Menschen verarmen und vereinsamen läßt. Statt einer toten Omi noch eine Messi-Wohnung mit Ekelfaktor anzuhängen. Google „Schamgefühl“.

Ich mein ja nur…