Andere Länder, andere Sitten?

„Sei froh, dass Du in Deutschland lebst!“

Kennt Ihr den Spruch?

Denn ist doch klar, bei uns ist vieles besser. Besser als zum Beispiel in Saudi Arabien. Dort ist ein Blogger in Haft und kann unter Umständen gar von der Todesstrafe bedroht sein, wegen folgender „Verbrechen„:

  • er bloggt,
  • das auch noch über den dort verbotenen Valentinstag,
  • mit nur 31 Jahren hat er eine andere Meinung als sein Vater und
  • er glaubt nicht an Gott.

Wie gut, dass das in Deutschland nicht passieren kann. Gut, das mit dem Valentinstag kann nicht passieren. Das mit dem Vater vielleicht auch nicht. Bloggen kann aber gefährlich sein – und nicht an Gott glauben auch. Nämlich dann, wenn man aus seinem Unglauben nicht nur kein Geheimnis macht, sondern Gläubige auch noch damit belästigt. Und so erinnert zufällig heute Volker Beck daran, dass in unserem Strafgesetzbuch(!) noch immer der § 166 lauert:

§ 166
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Also immer schön aufpassen, wenn Ihr mal wieder über Religionen und deren imaginäre Freunde schimpft. Denn ganz schnell geht es dafür ab in den Bau. Und dafür müsst Ihr nicht nach Saudi Arabien. Das können wir selbst.

 

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Mir ist klar, dass das nicht direkt vergleichbar ist – selbst wenn man hier ins Gefängnis käme und schon deshalb, weil hier niemand für seine Meinung mit dem Tod bedroht wird. Es sei denn er ist Kolumnist und lästert über eine bestimmte Gottheit. Dann aber auch nur von religiösen Fanatikern und nicht vom Staat. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass auch in unseren Gesetzbüchern die Trennung von Staat und Kirche bei weitem nicht so weit ist, wie man erwarten sollte.

Die Bundesregierung und der Art. 2 des Grundgesetzes

Das die Bundesregierung oftmals das Grundgesetz als Hemmnis zu begreifen scheint, ist soweit nix neues. Um so glücklicher ist man vermutlich, wenn man Formulierungen findet wie:

„In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Denn dann macht man schnell ein Gesetz und Schwupps…

Gerade höre ich auf WDR 2, dass man wegen der Kritik der Rabbiner-Konferenz ganz schnell ein neues Gesetz braucht. Demnach, so WDR 2 und der verlinkte Artikel, hat der Chef der Rabbiner-Konferenz die Bundesregierung unter Zugzwang gesetzt:

„Sollte das Kölner Urteil in Gesetzesform gegossen werden, würde dies bedeuten, dass es für einen großen Teil der jüdischen Gemeinden „keine Zukunft in Deutschland“ geben werde, mahnte Goldschmidt.“

Das dürfe, so die Reporterin auf WDR 2, nicht sein: Deutschland sei das Land des Holocaust und hier sei dafür zu sorgen, dass Juden sich entfalten können.

Gut.

Grundsätzlich stimme ich dem zu. Soll jeder Glauben, was er will.

Nur…

Es geht hier um Beschneidung. Da werden die Geschlechtsteile von kleinen Jungen – in der Regel wohl gegen deren Willen – verstümmelt. Für mich ist das analog zur Verstümmlung weiblicher Genitalien, gegen die die Bundesregierung ja mit viel Kraft angeht.

Das soll jetzt aus „religiösen Gründen“ erlaubt werden und hier kommt der Eingangs erwähnte Satz zum Tragen. Denn im Artikel 2 des Grundgesetzes steht:

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Und eben weil dieser Eingriff durch ein Gesetz möglich ist, haben sich jetzt bis auf die Linke mal eben alle Fraktionen bereit erklärt, die Verstümmlung von Jungen auf Grund der religiösen Ansichten der Eltern zu legitimieren.

Ich persönlich finde das zum Kotzen.

Jeder darf mit sich machen, was er will. Das aber Kindern Gewalt angetan wird, weil die Eltern einem Glauben folgen in dem Gott perfekt ist und den Menschen mit einem durch den Menschen zu korrigierenden Fehler geschaffen hat, geht gar nicht.

Es ist mir auch nicht ersichtlich, warum rituelle Beschneidungen von Mädchen was anderes sein sollen als rituelle Beschneidungen von Jungen irgendwo auf der Welt.

Ein solches Gesetz zur Legitimation von Beschneidungen ist grundsätzlich abzulehnen, da es mit der Menschenwürde und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit der Betroffenen unvereinbar ist. Die Religionsfreiheit der Eltern darf nicht höher gewertet werden, als das gesundheitliche Wohl der Kinder!