Klimawandel? Nicht mit Voerde. Und wenn, dann erst in ferner Zukunft…

Gestern war in Voerde der Planungs- und Umweltausschuss zu gange. Diesmal mit mir als Zuhörer, denn eigentlich war ich gekommen, um mir die Diskussion zum Thema Asylbewerberheime anzuhören. Das es dazu mit dem Publikum letztlich keine größere geben sollte, machte der Vorsitzende gleich zu Anfang klar, als er erklärte, zu dem Tagesordnungspunkt die Sitzung nicht unterbrechen zu wollen.  Das wäre ihm möglich, um den Anwohnern Raum zugeben, mit den anwesenden Politikern und Vertretern ins Gespräch zu kommen. Nun gut, es war das Recht des Vorsitzenden und das soll hier auch nicht Thema sein.

Denn bis zu dem Tagesordnungspunkt bin ich gar nicht geblieben. Ich bin vorher abgehauen, weil ich sonst hätte meine Klappe nicht mehr halten können und da ich ja nur Zuschauer war, wäre das sehr negativ aufgefallen.

Dem voraus gegangen waren zwei Dinge.

Das erste war eine Drucksache 803, die als Tischvorlage kurzfristig eingeschoben wurde. Darin ging es darum, dass der Stadtrat einen Beschluss zur 70. Änderung des Flächennutzungsplan zurück nehmen sollte. Aus Sicht der Verwaltung vor allem deswegen, weil die darin festzulegende Änderung einer Flächennutzung nicht mehr gebraucht würde. Es ging um Ausgleichsfläche für den Wald, den man auf dem Babcockgelände vernichten will. Erst auf (durch mich) initiierte Nachfrage kam dann aber heraus:

Wenn der Rat die Drucksache nicht zurück nimmt, bekommt die Stadt auch keine Zustimmung zur 65. Änderung des Flächennutzungsplans – der wiederum die Voraussetzung dafür ist, auf dem Babcockgelände überhaupt einen Sportpark errichten zu können. Das solche zwingenden Verhältsnisse nicht sauber dargestellt werden und eine so wichtige Entscheidung (die Rücknahme) einfach als „Tischvorlage“ und ohne Diskussion in den Fraktionen beschlossen wird, halte ich persönlich für (um es vorsichtig auszudrücken) keinen guten Stil.

Man könnte auch sagen: Ich halte es für eine Sauerei!

Direkt daran anknüpfend kam es dann zu einer weiteren heiteren Diskussion in Sachen Sportplatzverlagerung (Drucksache 774). Im Laufe der Diskussion gab dann Herr Seydel, in Voerde auch Verantwortlicher für das Umweltamt(!) folgende bemerkenswerte Erklärung ab:

Der Leiter des Planungsamtes erläuterte, warum die Verwaltung trotz schlechter Umweltnoten dafür ist, am alten Babcockgelände festzuhalten. Die Fläche sei verfügbar und die städtebaulichen Belange seien auf lange Sicht „höher zu gewichten“, da die Folgen langfristig wirkten. Der Wald dagegen, der für das Vorhaben weichen muss, wachse auf den Ersatzflächen wieder heran, befinde sich nach 30 Jahren im gleichen Zustand wie vorher, das ökologische Potenzial sei nach einer gewissen Zeit wieder ausgeglichen.

Christian Garden hat Recht, wenn er angesichts einer solchen Argumentation den Gedanken in den Raum wirft, dass die Verwaltung nicht neutral Standorte prüft, sondern einem vorher vorgegebenen Zielpfad folgt. Das kann man meiner Meinung nach auch daran sehen:

Zunächst wurde bei der späten Vergleichsuntersuchung festgestellt, dass mit den von der Stadt(!) gewählten Vergleichskennzahlen 2 Planorte gleichwertig sind. Dann wird aber behauptet, der eine sei doch nicht gleichwertig, weil man dort ja länger zum Planen brauche. Das das ein schwaches Argument ist, ist wohl aufgefallen und jetzt sind es plötzlich die „städtebaulichen Belange“, die den Standort Babcockwald zwingend erscheinen lassen sollen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Und dann die Argumentation mit der langen Sicht:

Im Jahre 2013 dürfte auch am letzten Ignoranten nicht vorbei gegangen sein, dass wir nicht mehr von einem möglichen Klimwandel in der Zukunft reden  – sondern schon heute die Auswirkungen des menschlichen Handelns zu spüren bekommen. Natürlich wachsen die Bäume nach und haben irgendwann ihren ökologischen Wert wieder erreicht. Das hilft uns nur leider jetzt gar nichts. Und auch morgen nicht, wenn man wieder ein Sturm über unser Land fegen wird.

Wir müssen heute, hier und jetzt anfangen, die ökologischen Folgekosten in unsere Planungen mit einzubringen. Und dazu gehört eben auch, dass wir nicht darauf hoffen dürfen in 30 Jahren was gegen den Klimawandel tun zu können. Sondern das wir heute schon alles unternehemen müssen, um die Folgen so niedrig wie möglich zu halten. Nicht umsonst mahnen Wissenschaftler bereits internationale Warnsysteme an.

Wie kann man sich dann als Leiter des Umweltamts hinsetzen und sagen: ach, in 30 Jahren ist doch wieder alles so wie heute?

Traurig ist daran, dass Herr Seydel vermutlich als guter Beamter (oder Angestellter?) nur den Vorgaben folgt, die er vom ersten Beigeordneten bekommt, der wiederum nur die Linie des Bürgermeisters vertritt. Und dessen Linie Ausdruck der einigen Politik der Voerder CDU und leider auch SPD ist.

Dabei wäre gestern die Chance gewesen zu sagen:

  • Ja, wir wollen uns gegen den Klimawandel stemmen und erhalten 80.000 Bäume im Babcockwald!
  • Ja, wir wollen den Sport fördern und forcieren mit Nachdruck den Bau der Sportanlage am Alternativstandort

Und das Beste wäre gewesen: Keine(!) der Parteien hätte gegen den Alternativstandort gestimmt. Während so aber die Grünen, die Linke und die WGV sich nach wie vor gegen das Projekt stemmen müssen. Nicht, weil es keine guten Sportstätten geben soll. Sondern weil es die nicht um jeden Preis geben darf.

Und der Preis wird nicht erst in 30 Jahren fällig, wie sich das Verwaltung der Stadt Voerde wohl vorstellt.

Der Preis wird morgen schon fällig. Wenn wir die erste Rate der Rechnung für unser Handeln zu bezahlen haben.