Nachrichten über den Klimawandel sind selten gute Nachrichten

Immer wenn das Thema „Klimawandel“ auf das Tablett kommt ist klar, dass es keine guten Nachrichten sein können. Wobei „gut“ sich ja ohnehin nur daran bemisst, dass es bitte nicht noch schlimmer kommt, als eh schon.

Der Spiegel macht da wenig Hoffnung, denn wenn man einem Artikel von heute glauben kann und will, droht eine weitere Verschärfung der Situation:

Als größtes Risiko des Klimawandels gilt der Eispanzer Grönlands. Wie stark wird die erwartete Erwärmung ihn tauen lassen? Das Schmelzwasser Grönlands entscheidet wesentlich darüber, wie hoch die Meere steigen werden. Neue Daten zeigen, dass der Eisverlust des Nordkontinents unterschätzt worden sein könnte.

Dabei ist es ja durchaus möglich, Maßnahmen zu treffen, die den Klimawandel unter Umständen verlangsamen oder vielleicht sogar aufhalten können. Dazu gehört aber nationaler und internationaler Gestaltungswille, der Politikern auch mal abverlangt, weiter als bis morgen oder zur nächsten Wahl zu denken.

In dem Kontext ist es vielleicht interessant mal kurz nach Paris zu schauen. Dort leidet man derzeit unter Smog wie schon lange nicht mehr. Und eine der Maßnahmen der Verwaltung ist so naheligend wie offensichtlich. Wieder der Spiegel:

Touristen dürfen in Frankreichs Hauptstadt am Wochenende guten Gewissens schwarzfahren: Der öffentliche Nahverkehr ist von Freitag bis Sonntag kostenlos nutzbar. Neben der Metro mit ihren mehr als 300 Stationen und den 59 Buslinien in der Stadt stehen Besuchern und Einheimischen aber auch städtische Fahrräder und Elektroautos bis auf Weiteres teils umsonst zur Verfügung, wie die Stadtverwaltung ankündigte.

Laut der zuständigen Behörde dienen die Maßnahmen dazu, die derzeit „bedeutenden Risiken für die Gesundheit“ in der Stadt durch die hohe Luftverschmutzung zu mindern. Im Großraum Paris werden die zulässigen Höchstwerte für die zum Teil krebserregenden Feinstaubpartikel seit Tagen überschritten.

Das das nichts ist, was auf Smog-Lagen beschränkt sein muss, zeigt ja seit geraumer Zeit schon Tallinn. Die FAZ:

Feie Fahrt in Tallinn: Im Kampf gegen tägliche Staus und für die Umwelt hat Estlands Hauptstadt mit Jahresbeginn Gratis-Nahverkehr in der ganzen Stadt eingeführt. Seither können die 420.000 Einwohner der Großstadt an der Ostsee die Busse und Bahnen umsonst nutzen.

Und in London kann man seit einiger Zeit sehen, wie es sich auswirkt den Autoverkehr aus der Stadt zu drängen. Zukunft-Mobilität schreibt:

Durch die Innenstadtmaut hat sich das Verkehrsaufkommen in der Londoner Innenstadt um 10-15 Prozent verringert. Im ersten Jahr fuhren 18 Prozent weniger Fahrzeuge in das mautpflichtige Gebiet, innerhalb der Zone sank das Verkehrsaufkommen des MIV um 15 Prozent. Zwischen 2002 und 2005 verringerte sich die Anzahl von Staus und Verkehrsstockungen um 22 Prozent. (…)

Dahingegen wuchs die Zahl der Radfahrer um 43 Prozent, die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden soll sich um bis zu 70 Prozent verringert haben. Zwischen dem Jahren 2000 und 2010 ist der Radverkehr in London um 117 Prozent gewachsen 2. Das Ziel ist es, den Radverkehrsanteil bis zum Jahr 2026 um über 400 Prozent (Basis: 2001) auf einen 5%-Anteil am Modal Split  zu steigern.

Das zeigt, dass es 2014 nicht nur eine Sackgasse ist, sondern ein Anachronismus, wenn man bei der Stadtplanung weiter den PKW-Verkehr in den Vordergrund stellt. Und sich um Parkplätze und „Umweltzonen“ Gedanken macht, statt den ÖPNV zu attraktivieren und das Rad als primäres Nahverkehrsmittel zu fördern. Es zeigt zugleich auch, dass eben solche Ansätze durchaus Erfolgversprechend sind.

Es funktioniert dabei nicht, immer nur auf andere zu warten. Oder gar auf „den großen Durchbruch“ bei einer Klimakonferenz. Jede Gemeinde, Kommune, jedes Land und jeder Staat, ja jeder Mensch hat es in der Hand, hier voran zu gehen.

Ich mach mal einen ganz verrückten Vorschlag: Wer bei meinem Brötchengeber einen Parkplatz möchte (ja, für sein Auto), der muss ein Job-Ticket des VRR (ja, für Bus und Bahn) vorweisen. Der Anreiz ist klar: bezahle ich eh das VRR-Ticket, warum sollte ich das nicht nutzen? Die Taktik geht natürlich nicht bei allen auf, aber bei vielen.

Was wäre denn jetzt, wenn mit der KFZ-Steuer-Zahlung zugleich der Anspruch entstünde, selbst und ggf. Familienangehörige mit dem ÖPNV zur Arbeit und Schule bringen zu lassen?

In Voerde werden wir in den nächsten Jahren auch sehr viel an der Infrastruktur schrauben. Und auch hier wird man die Frage in den Vordergrund stellen müssen, welche Art von Mobilität dabei bevorzugt bedient werden soll. Ich persönlich hätte da schon eine Idee 😉

Und vielleicht schaffen wir es gemeinsam ja, dass irgendwann die schlechten Nachrichten über den Klimawandel und das sterbende Ökosystem unserer Welt erst langsamer werden und dann zum erliegen kommen?

Neuen Verkehr wagen

Als ich vor gut einem Jahr von dem Versuch der Stadt Tallin las, den ÖPNV kostenlos anzubeiten, gab es wenig optimistische und viele pessimistische Stimmen dazu. heute sind wir ein Jahr weiter und ein ganzes Stück schlauer:

Die TAZ berichtet:

Seit einem Jahr wird öfter über die estnische Hauptstadt Tallinn berichtet als sonst. Der Grund ist: Tallinns Bürger haben seit dem 1. 1. 13 einen kostenlosen Nahverkehr. Es ist die erste europäische Hauptstadt, die diesen Schritt geht. Das Ergebnis? Busse, Straßenbahnen und Oberleitungs-Busse sind reichlich, zu zehn Prozent mehr ausgelastet. Der Autoverkehr im Zentrum reduzierte sich um 15 Prozent, im gesamten Stadtgebiet um neun Prozent. Den Ausstoß von CO2 verminderte das um 45.000 Tonnen.

Und auch die Finanzierung ist wohl kein Problem:

Finanziell ist die Sache bisher kein Problem. Ohnehin wurden die Kosten des ÖPNV nur zu einem Drittel durch den Ticketverkauf gedeckt – 2012 waren es 12,5 Millionen Euro. Gleichzeitig stiegen, seit es die Freitickets gibt, in Tallinn die Anmeldezahlen. Gut 12.000 Menschen, die in Tallinn arbeiten, aber im Umland oder sogar anderen Städten wohnen, verlegten ihren Hauptwohnsitz. Dazu kommen diejenigen, die bisher unter der Adresse ihrer Datsche außerhalb der Stadtgrenze polizeilich gemeldet waren, und Leute, die gar nicht registriert waren. Sie alle zahlen nun ihre Steuern in die Stadtkasse. Pro Person sind das durchschnittlich 1.200 Euro. Damit ist das Projekt momentan solide gegenfinanziert.

Das klingt ja fast zu gut um wahr zu sein. Und deshalb funktioniert es auch nicht einfach so, sondern nur in einem Gesamtkonzept. Dieses Konzept muss sich eben nicht nur mit der Frage der Finanzierung an sich auseinander setzen. Es muss auch Fragen beantworten können, die (vor allem in Deutschland) derzeit nicht Laut gestellt werden dürfen. Zum Beispiel ob die stringente Ausrichtung des Straßenverkehrs auf den motorisierten Individualverkehr nicht mehr Probleme schafft, als das sie löst.

Interessante Gedankenspiele ergeben sich dann in der Folge zwangsläufig. So kann man zum Beispiel mal die Frage stellen was passieren würde, wenn man einen kostenlosen ÖPNV in Metropolregionen anbieten würde – und den Menschen dafür Autobahnen weg nähme. Allerdings nicht zu Gunsten neuer Straßen, sondern zu Gunsten der Lebensqualität.

Die Frage nach der Mobilität sollte in den nächsten Jahren genauso Priorität genießen, wie die Frage nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Unsere Gesellschaft steht an einem Scheidweg und eigentlich ist doch allen klar, dass es so wie bisher nicht weiter geht. Was es also braucht ist der Mut, auch mal unkonventionelle Fragen zu stellen. Und am Besten fangen wir heute damit an. Tallinn und Soul als Vorbilder fest im Blick

Focus Online oder: Erbrechen leicht gemacht

Keine Gnade für Rad-Rambos

 

 

Das ist die wenig reißerische Überschrift des Focus über einem Artikel über die Erhöhungen im Bußgeldkatalog. Jetzt erwarte ich zu lesen was passiert, wenn ich mal wieder ein Auto anfahre, dass meint auf der Straße fahren zu müssen. Oder sowas halt.
Doch nein. Der Focus behandelt Bußgelder für…
  • … fahren auf dem Bürgersteig, zumeist unschön, manchmal aber unvermeidlich
  • … fahren auf der Straße, zumeist unvermeidlich und nie problematisch, wenn sich alle korrekt verhalten
  • … fehlendes Licht am Rad

Ich merk schon, wer sich solcher Vergehen schuldig macht, ist ein echter Rambo. Ein Rad-Rambo halt. Doch ist der Focus auch objektiv und vernünftig und stellt gleich daneben, wie es mit Strafen für Autofahrer aussieht, die sich gegenüber Radfahrern falsch verhalten.

So wird härter bestraft, wer…

  • … den Radweg zuparkt und den Radfahrer auf den Bürgersteig oder die Straße zwingt
  • … die Türe öffnet um damit Radfahrer umzunieten, weswegen man besser nicht dicht an dem auf dem Radweg parkenden Auto vorbeifährt, sondern mittiger auf der Straße
  • … darüber das kaum noch Autos wegen defekter Beleuchtung angehalten werden allerdings kein Wort 😉

Merkt Ihr was? Lieber Focus, merkst Du was?

Aber gut. Der Focus beruft sich auf die Bild und wenn man sich so nah ist, dann passt man natürlich auch die Headlines an. Warum auch nicht. In einem Land in dem die Menschen so vernarrt in ihre Autos sind, dass man sie zu recht als (Auto-)Narren bezeichnet, wundert einen das nicht. Und bei Focus und Bild ohnehin nicht.

Verkehrsplanung: Zeit umzudenken?

DerWesten titelt gerade:

Marode Brücken, volle Straßen – Das Ruhrgebiet braucht Geld für Modernisierungen

… und  beschreibt in dem folgenden Artikel, dass uns der Verkehrskollaps droht:

Marode Brücken, überfüllte Straßen – Experten schlagen Alarm. „In den vergangenen 20 Jahren hat der Bund verstärkt in die Verkehrssysteme Ostdeutschlands sowie die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg investiert“, heißt es in einer aktuellen Studie. Die Ruhr-Wirtschaft hofft unter anderem auf einen sechsspurigen Ausbau der A43 zwischen Bochum/Witten und Recklinghausen/Herten.

Wenn es um die Modernisierung von Straßen und Schienen geht, hinkt das Ruhrgebiet im Vergleich zu anderen Großstadtregionen in Deutschland hinterher.

Ich wage jetzt einfach mal die Frage, ob das nicht der falsche Ansatz ist?

Wobei, ich bin ja nicht doof. Folglich weiß ich natürlich um die unterschiedlichen Qualitäten der neuen Autobahnen im Osten im Vergleich mit den Ruhrgebietsautobahnen.

Aber angesichts einer zu erwartenden Verknappung von Öl, immer weniger Raum, Klimawandel und so weiter sollte die Frage da nicht lauten: Wie entlasten wir die Straße?

Das könnte man dann mit einem effektiven Ausbau des ÖPNV und einer Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger beantworten. Denn: der meiste Verkehr müßte kein Auto-Verkehr sein. Zum einen sind nach wie vor unglaublich viele Menschen allein in einem Auto unterwegs, zum anderen nutzen meiner Meinung nach viel zu wenige den ÖPNV und das Fahrrad.

Für all das gibt es Gründe, teilweise sogar gute Gründe: Die absolut nicht perfekte Struktur des ÖPNV, die teilwese sehr flexiblen Arbeitszeien, die Fahrgemeinschaften erschweren, die Angst, auf der Straße von einem Auto angefahren zu werden und so weiter.

Und vielleicht sollte die Politik genau hier anpacken?

Keines der Probleme die wir haben, ist nicht zu lösen. Aber wie wir die Probleme angehen entscheidet nachhaltig darüber, was es kostet und was es bringt. Und bei der Frage was es bringt müssen wir endlich aufhören, den MIV (Motorisierten Individual-Verkehr, ich mag die Abkürzung) in den Fokus zu rücken.

Wir müssen uns nicht fragen, wie wir immer mehr Verkehr verwalten. Wir müssen uns fragen, wie wir den Kraftstoff betriebenen Verkehr so weit wie möglich reduzieren.

Und hier erwarte ich von der Politik des Bundes, der Länder und der Kommunen nichts weiter als eine 180°-Drehung. Einen kompletten Paradigmenwechsel. Nicht die Straßen müssen breiter, die Autos müssen weniger werden. Und zwar auf eine gesellschaftlich akzeptierte Art und Weise, bei der die Menschen das Auto stehen lassen weil sie es stehen lassen können – und nicht weil sie müssen.

Aber bis dahin… wird es wohl noch eine Weile dauern.

Ich glaube allerdings, dass mein Gedanke alternativlos ist.