Analog-Digitale Einkaufshölle: Glamour und Co

Analog-Digitale Einkaufshölle: Glamour und Co

Ich bin ja jemand, der gerne analog einkaufen geht. Und zugleich bin ich jemand, der seit Jahren predigt, dass der Einzelhandel viel dafür macht, dass man ihn nicht mehr im stationären Ladengeschäft besuchen mag. Oder anders: Als jemand der selber sehr gern auch bei Amazon einkauft, verstehe ich die Leute die bei Amazon einkaufen.

Aber, wie gesagt, ich gehe halt auch gern in Geschäfte. Vor allem auch bei Kleidung, weil ich bestellen, anprobieren, zurücksenden aus einer Reihe von Gründen absurd finde. Und so begab ich mich gestern auf einen Einkaufsbummel in Essen, von dem ich Euch heute berichten mag.

Zunächst war ich bei Levis. Eine Jeans kaufen. Die gleiche wie immer zum gleichen Preis wie immer. Oder auch nicht, denn die freundliche Verkäuferin wies mich darauf hin, dass „Glamour Shopping Week“ sei und ich die App runterladen möge und dann 20% Rabatt bekäme.

Gut, das ist jetzt schwierig. Auf der einen Seite: Wenn mir Unternehmen über das komplette Programm 20% Rabatt anbieten, dann sagen sie mir, dass ich die übrige Zeit 20% zu viel zahle. Denn sie werden den Rabatt nicht anbieten, wenn sie nicht selbst dann noch Gewinn machen. Ok. Das ist… frech. Wird aber wohl kaum jemand merken.

Allerdings bin ich natürlich auch nicht bereit, 159,90€ zu zahlen, wenn 111,93 q es auch tun. Ok, also App runtergeladen. Den „Gutschein“ muss man für 3,69€ kaufen. Das war angesichts eines Preisnachlasses von 47,97€ ein guter Deal. Meine Überraschung aber, dass der „Gutschein“ nur eine Grafik ist, ohne jeden Barcode oder sonstige Elemente. Das Kassensystem muss also einen Button haben, die die kassierenden Menschen einfach nur drücken.

Aber…. natürlich habe ich die Dreistigkeit der Unternehmen unterschätzt. Damit ich die 20% wirklich bekomme, bestand man zudem darauf, dass ich bitte die Levi’s-App installieren möge. DA ist ja der Barcode für den Scanner 😉

Ich bezahlte also 3,69€ für das Privileg eine App installieren zu dürfen, damit ich den Rabatt mit meinen persönlichen Daten bezahle. Das ist witzig, ich dachte das sei inzwischen dann DSGVO unzulässig. Aber gut, wie sagt Vince Ebert? Geiz macht nicht geil, Geiz macht blöde. Also auch die App installiert, bezahlt und mit dem guten Gefühl, 47,97€ gespart und dafür nur meine Datenseele verkauft zu haben, den Laden verlassen.

Danach war ich bei Peek und Cloppenburg. Und ihr ahnt es: Auch hier gab es 20% auf alles, vermutlich außer Tiernahrung. Aber, Trommelwirbel bitte, selbstverständlich nur, wenn ich dafür die P&C-App installiere, mich anmelde und bla bla bla.

Ok. Dritter Stop war Galeria Kaufhof. Hier erfuhr ich an der Kasse, dass es keine 20% gibt. Aber 15%, wenn ich mindestens zwei Teile kaufe. Für diese 15% müsse ich aber irgendwo im Geschäft den Barcode auf einem Schild scannen. Damit öffne ich eine Website, auf der ein Barcode ist, mit dem ich die 15% bekäme, sofern ich die Dame an der Kasse auch meine Galeria-App, bzw. deren Strichcode, scannen ließe.

Also, nur damit ich das richtig verstehe:

Ich brauchte in 3 Geschäften 3 Apps und für 2 davon eine weitere, also 4 Apps für 3 Geschäfte, um statt 120% ausgewiesenen Preis nur 100% des erwarteten Preises bezahlen zu „dürfen“. Dafür muss ich auch nur diverse Datenschutzerklärungen abnicken, die ich wohl kaum vor Ort lesen kann, deutlich mehr Daten angeben als für die reine Geschäftsabwicklung notwendig wäre und dann…. DANN BESITZT DER EINZELHANDEL DIE FRECHHEIT SICH ZU BESCHWEREN, dass ich mir lieber meine 5 Teile von zu Hause zusammen klicke, zumal ich gerade bei den gestern gekauften Objekten, diverse Gürtel, Jeans etc. die Größen auch kenne und daher gar nicht rumprobieren müsste?

Manchmal kann man echt nur noch mit dem Kopf schütteln: Erst verweigert sich der Einzelhandel der Digitalisierung nahezu flächendeckend, dann bekämpft er sie und dann will er sie maximal Kundenundfreundlich umsetzen. Um dann zu heulen, dass ja alle nur bei Amazon einkaufen.

Kommentare sind geschlossen.